Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
Dunkelheit hellwach wird. »Was ist? Ist etwas mit Annie? Oder Peggy?«
Ich lasse ein wenig Besorgnis in meine Stimme fließen. »Annie und Mom geht es gut, aber bei mir stimmt etwas nicht. Ich glaube, ich habe einen Panikanfall.«
»Tachykardie? Ist es eine Stressreaktion?«
»Nein, es hat vor zwei Minuten angefangen. Ich bin ein bisschen kurzatmig, und mein Puls liegt bei hundertzehn. Ich habe das Gefühl, mich erbrechen zu müssen. Wahrscheinlich bin ich verstört wegen des Ballonflugs morgen früh.«
Kurzes Schweigen. Dann: »Wir sollten zu meiner Praxis fahren und ein EKG machen.«
»Nein, nein, es ist bloß Unruhe. Heute musste ich mit einem Scheißhubschrauber fliegen. Ich glaube, ich brauche eine Valium oder etwas Ähnliches.«
»Hast du Ativan im Haus?«
»Nein. Könntest du mir eine Packung vorbeibringen? Ich würde ja zu dir kommen, aber ich möchte im Moment nicht Auto fahren.«
Er grunzt und hievt sich aus dem Bett. »Lass mich ein paar Sachen anziehen und meine Tasche holen. Ich möchte deine Brust abhorchen.«
Ich drücke die Handfläche so kräftig an die Stirn, dass mein Arm zittert. »Vielen Dank, Dad. Ich lasse die Haustür unverschlossen. Komm einfach rein. Ich bin im Badezimmer.«
»Okay.«
Ich sollte einhängen, doch ich muss einfach hinzufügen: »Versuch, dich zu beeilen, ja?«
»Bin schon unterwegs.«
13
L inda Church hat die Arme um das Klosett in der Damentoilette von The Devil’s Punchbowl Bar and Grill gelegt und übergibt sich schaudernd ins Becken. Eigentlich soll sie Gästen Plätze anweisen, doch sie ist nicht mehr in der Lage, die einfachsten Pflichten zu erfüllen. Vor zwei Minuten hat sie eine SMS von Tim erhalten, die ihr unverständlich war. Sie wischt sich den Mund mit Toilettenpapier ab, klappt ihr Telefon auf und liest die Buchstaben noch einmal, wobei sie darauf achtet, das Display vor der verborgenen Kamera an der Decke zu verbergen.
Thiefwww kllmmommy. Sqrtoo.
Die Nachricht kommt von einer Nummer, die sie nicht erkennt, nicht einmal die Vorwahl, aber das ist der stärkste Beweis dafür, dass Tim sie geschickt hat. Er hat ihr anvertraut, dass es eines seiner Sicherheitsmanöver ist, die Telefone von Fremden zu benutzen, wenn sie abgelenkt sind. Zu diesem Zweck hat er sogar Mobiltelefone gestohlen. Aber die Botschaft treibt sie an den Rand der Panik. Kllmmommy? Sqrtoo? Es klingt fast wie ein Befehl, Julia und das Baby zu töten.
»Nein«, flüstert sie, denn nun wird sie sich der Möglichkeit bewusst, dass die Nachricht für jemand anders gedacht ist. »Das kann nicht sein. Er liebt das Baby. Er liebt Julia.«
Linda hört Schritte. Jemand hat die Toilette betreten. Sie packt den Griff und spült zur Tarnung. Kalte Tropfen sprühen ihr ins Gesicht.
»Linda?«, sagt eine besorgte Stimme. »Hier ist Ashley. Wie fühlst du dich? Janice sagt, dass du beschissen aussiehst.«
»Nichts Ernstes, Ash. Eine Darmgrippe, glaube ich. Ich komme gleich raus.«
»Ich sage Janice Bescheid.«
»Danke.«
Linda spult krampfhaft die Abfolge der Ereignisse zurück, die sie hierhergeführt hat. Tim ging an der Tür der Devil’s Punchbowl vorbei und flötete »Walking in the Moon« von The Police. Das Lied war ein verschlüsseltes Signal, das sie gestern Nacht nach dem Treffen mit Penn Cage abgesprochen hatten. Hätte Tim »Every Breath You Take« geflötet, so hätte es bedeutet: »Verschwinde sofort. Warte keine Sekunde mehr.« Der Song »Walking on the Moon« dagegen war das Zeichen für Linda, bis zum Ende ihrer Schicht zu arbeiten, ihr Handy dann in den Fluss zu werfen, ins Auto zu steigen und drei Stunden nach New Orleans zu fahren, zum Haus ihrer Tante. Tim würde sie unterwegs mit einem Prepaid-Handy anrufen, das er bei Wal-Mart gekauft hatte, und sie würde mit einem Telefon der gleichen Art antworten. Ihres lag nun unter dem Vordersitz im Auto.
»Walking on the Moon« sollte außerdem bedeuten, dass alles nach Plan lief, aber sobald Linda die Melodie erkannte, war ihr Magen durch die Furcht in Aufruhr geraten. Sie hatte sich gezwungen, ihre Arbeit fortzusetzen, obwohl sie noch eine Stunde nach Tims Schichtende auf dem Schiff bleiben musste. Um Mitternacht war sie fast durchgedreht und wollte am liebsten die Ausgangsrampe hinunterrennen, als er das Schiff verließ, doch dann wären sie zweifellos beide entlarvt worden.
»Ich sollte gar nicht hier sein«, sagt sie fast lautlos, da ihr die verborgenen Mikrofone bewusst sind. Die Devil’s Punchbowl schließt
Weitere Kostenlose Bücher