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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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Böses anhaben. Manchmal sogar bei kleinen Kindern.
    Heute jedoch war das nicht der Fall, und die Leute sahen erfreut, dass sie ans Werk ging.

    Sie ließ einheizen, warf mehrere Handvoll wohlriechender Heilkräuter in die Herdflammen, entblößte den Rücken des Mannes und deponierte darauf Amber-, Quarz- und Obsidiankiesel, die sie aus einem über ihrer Schulter hängenden Beutel hervorholte. Sie begann, Beschwörungen aufzusagen, deren Sinn niemand im Raum kannte. Aber die Menschen ahnten, dass Christus bei dieser okkulten Zeremonie der Zauberin keine Rolle spielte, und vervielfachten ihre schützenden Kreuzzeichen.
    Gáta holte aus ihrem Beutel eine Räucherpfanne hervor, die sie unter dem Bett des Verletzten anzündete. Ein dünner gelber Rauchfaden stieg langsam empor, hüllte ihn ein und schwebte im milden Licht des Zimmers in der Luft.
    Jetzt herrschte Stille, und gespannte Aufmerksamkeit malte sich auf allen Gesichtern ab.
    Die Haut des Kranken wurde von Minute zu Minute blauer, er hörte auf zu zittern und zu schaudern.
    Endlich rührte er sich nicht mehr, sein auf die Decke gerichteter Blick erlosch vollkommen, und sein halb geöffneter Mund erstarrte.
    Offensichtlich atmete er nicht mehr …
    Ein langes Schweigen trat ein.
    Er war tot.
    Das Schweigen dehnte sich aus.
    Gáta stand unbeweglich da.
    Die Umstehenden warfen sich Blicke zu, enttäuschte oder resignierte, je nachdem, wie viel Vertrauen jeder von ihnen in die Talente der Wahrsagerin gesetzt hatte. Sie murmelte mit fester Stimme ein unverständliches Wort.
    Da hoben sich seine Schultern mit einem Mal in einem spektakulären Atemzug; mit weit aufgerissenen Augen richtete er sich halb im Bett auf, und die Adern an seinem Hals traten hervor. Er atmete nicht, er hechelte. Die Hälfte der im Haus Versammelten
rannte in Panik nach draußen; ihren Platz nahmen sogleich andere Neugierige ein, die draußen gestanden hatten.
    Unterdessen fiel der Fremde auf sein Lager zurück.
    Gáta betrachtete das Wunder mit bestürzender Gleichgültigkeit. Sie deckte den Körper des jungen Mannes zu, der wieder eingeschlafen war; sein Gesicht hatte einen friedlichen Ausdruck angenommen und allmählich wieder seine Farbe zurückgewonnen.
    »Hagebuttenwein«, verordnete sie, »dieser Junge muss wieder zu Kräften kommen. In drei Monden kann er wieder auf den Beinen sein.« Sie schnaubte und spuckte auf den Boden, verstaute ihre Steine und ihre Räucherpfanne und machte eine ungeduldige Handbewegung, damit man sie zum Ausgang ließ. In Begleitung eines schmutzigen kleinen Mädchens, das draußen auf sie wartete, entfernte sie sich und machte sich wieder auf den Weg zu ihrer Hütte im Wald.
    In Víska war Verblüffung groß.
    Alle waren sich einig, dass es unklug wäre, den Bischof über Gátas Auftauchen in Kenntnis zu setzen. Er würde sie unweigerlich der Hexerei bezichtigen und die Dörfler hart bestrafen. Was hätte er anstelle der Zauberin getan? Er hätte eiligst die Letzte Ölung an dem Unbekannten vollzogen, selbst ohne einen Beweis dafür, dass dieser getauft war, nur um von Marek und Svatava die Gebühr für die Seelenmesse zu verlangen. Und der Kranke wäre vor seiner Zeit gestorben und hätte Gott weiß wie lange in Víska herumgespukt.
    Der alte Jäger und seine Frau wachten Tag und Nacht über den Fremden. Seine dunkle Hautfarbe und seine schwarzen Haare offenbarten eine südliche Herkunft. Er hatte ein entzündetes Fußgelenk, seine Haare waren vom Grind verunstaltet, und der rechte kleine Finger war von der Kälte abgestorben.
    Er trug keine Münzen und nicht einmal das winzigste Dokument bei sich. Wie viel Zeit mochte er wohl schon so mitten im Winter im Wald umhergeirrt sein?

    Man zählte drei Monde, und dann öffnete der durch ein Wunder geheilte junge Mann, wie die Gesundbeterin es vorhergesagt hatte, die Augen, fand die Sprache wieder und konnte sogar aufstehen. Im ersten Augenblick flößten ihm die unbekannten Gesichter und das Haus, das ihm vollkommen fremd war, Angst ein, doch bald beruhigten ihn die sanften Worte seiner Wohltäter.
    »Mein Name ist Rainerio«, sagte er. »Ich komme aus Rom und bin auf dem Weg nach Olmütz.« Er sprach nur wenige Brocken Tschechisch, das schwer verständlich war, denn er entstellte die Wörter. »Mein böhmischer Herr hat mich in Rom die Anfangsgründe Eurer Sprache gelehrt«, erklärte er den Bewohnern von Víska.
    Er aß und trank, ohne satt zu werden. Weder die Erschöpfung noch Gátas Zauberbehandlung hatten

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