Advocatus Diaboli
zurückhaben können!«
Norma stellte Kaninchenkeulen auf den Tisch und füllte den Weinkrug nach, den ihr Mann alleine geleert hatte. Sie schien sehr betroffen von dem Gespräch.
»Ich garantiere Euch«, erwiderte Benedetto Gui bedächtig, »dass ich der lebende Beweis der Segnungen von Cantimpré bin. Ich will seinem ehemaligen Pfarrer meinen Respekt erweisen, sonst nichts.«
Demetrios nickte mit einem angedeuteten Lächeln.
»Ich rate Euch, die Erinnerung an Evermacher in Spalatro nicht zu sehr aufleben zu lassen. Alle Welt hegte nach den ersten Nachrichten aus Cantimpré große Erwartungen, und Evermacher hat sie alle enttäuscht.«
Benedetto versprach, das zu beherzigen.
»Habt Ihr einen Pfarrer in Spalatro?«, fragte er.
»Wir sind zu nahe an der Diözese von Cardonna, daher kommt ein Diakon von dort zu uns, um unter der Woche die Messe abzuhalten.«
»Hält er sich gegenwärtig auch hier auf?«
»Ihr könnt ihn morgen früh sehen. Dann füllt er das Öl für die Altarlampen nach.«
Die Mahlzeit wurde mit allerlei Plaudereien fortgesetzt, die so wenig wie möglich mit Evermacher und Cantimpré zu tun hatten. Doch als es schließlich Zeit war, auseinanderzugehen, schnitt Demetrios das Thema ein letztes Mal an.
»An Eurer Stelle würde ich Eure Heilung in Cantimpré nicht einmal erwähnen. Ihr würdet nur wieder falsche Hoffnungen wecken …«
Benedetto stimmte ihm zu und sagte dann, er wolle noch frische Luft schnappen.
Er schaute sich ein wenig in Spalatro um. Er machte die Bekanntschaft weiterer Dorfbewohner, denen gegenüber er nichts über Cantimpré verlauten ließ, und erfuhr Verschiedenes über das Dorf.
Die Pfarrei zählte an die fünfzig Seelen. Seitdem die Hauptstraße sie in weniger als zwei Stunden mit Rom verband, hatten alle aufgehört, auf den Feldern zu arbeiten. Ein Weber hatte sich im Ort niedergelassen und beschäftigte die Frauen, Demetrios presste die hier geernteten Oliven, die in der Stadt freilich als Importware aus Griechenland verkauft wurden.
Benedetto nahm sich Zeit, um die kleine Kirche zu besichtigen und auf den Friedhof zurückzukehren, wo er Evermachers Grab gründlich inspizierte.
Es war ein Doppelgrab, in dem er und seine Mutter ruhten. Benedetto entdeckte die von Demetrios erwähnte Statue der heiligen Monika. Sonst besaß das Grab keinen weiteren Schmuck, es
war nichts als ein in die Erde gezeichnetes, schneebedecktes Rechteck von acht Fuß Seitenlänge.
Er kehrte in sein Zimmer zurück und schob eine Truhe vor die Tür, um sie zu versperren.
Als Erstes heizte er in einem der Öfen nach. Er öffnete das Fenster einen Spaltbreit und holte sodann aus seiner Ledertasche den roten Stein und das Säckchen mit Pulver hervor, die er eingesteckt hatte, bevor er aus seinem Laden in Rom floh, sowie den Granittiegel, den Bohrer und den Drillbohrer, die er in Ostia erstanden hatte.
Er entfernte den Rost auf dem Ofen und stellte eine Kupelle direkt auf die Glut. Sodann mühte er sich eine Stunde lang damit ab, seinen roten Stein in feine Splitter zu zerkleinern. Seine Hände brannten, seine Augen tränten, und bisweilen bekam er in dem beißenden Qualm keine Luft mehr.
Er bat Demetrios’ Frau um Wasser. Sie sagte ihm, dass er auf dem Dorfplatz einen Brunnen fände. Benedetto fragte sie, ob er das Olivenöl kosten dürfe, das ihr Mann herstellte. Norma brachte ihm etwas davon in einem Fläschchen.
Dann sagte sie: »Ihr dürft nichts auf Demetrios’ Bemerkungen geben, er ärgert sich über Evermacher. Ich mochte ihn gern, diesen alten Priester.« Sie warf einen prüfenden Blick um sich, ob ihr Mann in der Nähe war, und fragte dann hastig mit leiser Stimme: »Ist es wahr, dass die schwangeren Frauen in Cantimpré ihre Kinder gebären, ohne Wehen zu spüren?«
Benedetto bejahte, was die Frau offenbar mit stiller Freude erfüllte.
Bevor er wieder in sein Zimmer zurückkehrte, vergewisserte er sich, dass sich neben der Eingangstür wie in allen ordentlichen Häusern mehrere Harzfackeln befanden für den Fall, dass sich in der Nacht etwas Unvorhergesehenes ereignete.
Dann setzte er seine Arbeit am Ofen fort. Er hatte Norma nur deshalb um einen zweiten Herd gebeten, damit er über eine zusätzliche Holzreserve verfügte. Zwei Stunden lang bearbeitete er über dem Feuer die glühenden Reste seines Steins. Endlich begannen winzige verkohlte Rückstände an der Oberfläche einer silbrigen Flüssigkeit zu schwimmen. Dieser Stein war Zinnober, und er hatte soeben ein
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