Äon
Garabedian.
Obwohl er eine Frist gesetzt hatte, ließ Mirski nach Ablauf der Stunde nicht zum Angriff blasen. Er wußte, das wäre Selbstmord gewesen. Er hatte sich an die Hoffnung geklammert, der Schwertransporter käme plötzlich durch und würde die Ausrüstung abwerfen, aber die Hoffnung zerplatzte nun – und damit jeder Ehrgeiz zum Weitermachen.
Generalmajor Sosnitski hatte natürlich recht gehabt.
Es war von Anfang an ein sehr riskanter Einsatz gewesen. Falls stimmte, was der Feind behauptete (und der Staffelkommandeur Pletnew würde sicher nicht lügen, nur um seine Haut zu retten), wenn es also stimmte, dann war kein Sieg möglich.
Garabedian kam mit einer Tube Verpflegung heran. Mirski winkte ihn zur Seite. »Wir müssen essen, Genosse General«, sagte Garabedian.
Mirski runzelte die Stirn. »Warum? Was hat es noch für einen Zweck? Sie halten uns hier fest, bis wir verhungern oder wie Füchse zum nächsten Hühnerstall pirschen. Wir sitzen in der Falle.«
Garabedian zuckte die Achseln.
Mirski wandte sich von seinem ehemaligen Stellvertreter ab, streckte plötzlich den Arm aus und griff mit der Hand mehrmals nach der Tube. »Gib her! Du sollst’s nicht zu fressen kriegen.«
Garabedian gab ihm grinsend die Tube.
»Schmeckt erbärmlich«, sagte Mirski, der sich die Fischpaste in den Mund drückte. »Wie Scheiße.«
»Warum so pessimistisch?« meinte Garabedian.
»Ich habe Sosnitski gemocht«, antwortete Mirski. »Und der geht her und macht mich zum General.«
31. Kapitel
Lanier stand blinzelnd in der hell erleuchteten Bibliothek. Seit Monaten hatte er sich nicht mehr vor eins der Chromkügelchen gesetzt. Auch jetzt hatte er wenig Lust dazu. Die Erfahrung war körperlich zwar nicht unangenehm gewesen, doch anscheinend rührten alle gegenwärtigen Schwierigkeiten von einem dieser Plätze her – demjenigen nämlich, um den sich das abgeschaltete Gerät reihte.
Drei Mariner mit Apple und Uzi standen nervös hinter ihm; Gerhardt hatte darauf bestanden, daß sie Lanier begleiten, sollte einer der infiltrierenden russischen SPETSNAZ schon bis hierher vorgedrungen sein.
Er ging durch die Reihen. Wie Patricia verabscheute er den vollgepackten Platz. Er hielt inne und warf einen Blick auf den Lichthof, setzte sich dann auf einen Stuhl und klappte den Deckel des Tastenfelds auf. Per Knopfdruck tauchten Fragen vor ihm auf. Die Bibliothek gebrauchte nach wie vor reinstes Englisch des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Vielleicht erinnerte man sich an ihn; vielleicht wußte man, wer sie waren und was sie hier wollten.
»Ich muß Russisch des einundzwanzigsten Jahrhunderts lernen«, sagte er. »Frühes einundzwanzigstes Jahrhundert. Prämortal. Wie lange wird das dauern?«
»Wollen Sie Russisch lesen oder sprechen können oder Umgangsrussisch beherrschen oder alles davon?« fragte die Bibliotheksstimme.
»Ich muß sprechen können, brauche Umgangsrussisch und alles andere auch, wenn es nicht recht viel länger dauert.«
»Fließendes Umgangsrussisch und technisches Russisch dauern zwei Stunden. Eine weitere Stunde ist erforderlich, um Sie das Lesen und Übersetzen zu lehren.«
»Dann alles«, sagte er.
»Gut. Entspannen Sie sich, bitte. Sie sind etwas verkrampft. Wir beginnen zunächst mit dem kyrillischen Alphabet…«
Ich entspanne mich, stellte er verwundert fest. Als die Lektion anging, tauchte er mit einem tiefen geistigen Seufzer ins Meer des Wissens ein. Es macht Spaß.
Er war kein sprachbegabter Schüler gewesen. Dennoch sprach er binnen dreier Stunden Russisch wie ein gebürtiger Moskauer.
Oberstleutnant Pletnew, der muskulöse Staffelkommandeur mit rosigem Gesicht und schütterem Haar, verließ in Begleitung von vier Mann den festgemachten Schwertransporter über die Heckluke und wurde in die erste Luftschleuse geführt. Gemäß der vor wenigen Stunden ausgehandelten Übereinkunft behielten die übrigen Schwertransporter ihre Position vor dem Bohrloch bei.
Die Russen stiegen aus ihren Raumanzügen und wurden von sieben mit Apple bewaffneten Marinern über den Landebereich ins Kommunikationszentrum geleitet. Kirchner – für den Lieutenant Jaeger dolmetschte – begrüßte ihn und erläuterte das Vorgehen.
»Der ranghöchste Offizier Ihrer Leute im Stein befindet sich in unserer zweiten Kammer. Gemäß der Meldung Ihres Generalmajors Sos… Sos…«
»Sosnitski«, ergänzte der dolmetschende Jaeger.
»Sosnitski hat einen gewissen Mirski zum Generalleutnant ernannt. Das heißt,
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