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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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zügig, bis nur noch wenige Meter sie trennten. Pletnew trat vor, drückte Mirski die Hand, wobei er auch seinen Unterarm umfaßte, trat dann wieder zurück und blieb allein stehen.
    Mirski betrachtete die Toten, die auf dem Feld verstreut lagen. Zwei steckten zur Hälfte in einem unfertigen Schützenloch; kleine, eingebrannte Löcher und verkohlte Hautfetzen lugten durch die versengte Uniform. Bislang hatte er achtundzwanzig Tote gezählt. Insgesamt waren es mindestens doppelt so viele auf dem Feld. Seine Gedanken schweiften von taktischen Überlegungen ab und beschäftigten sich mit dem heiklen Aspekt toter Kameraden.
    Die einundvierzig Verwundeten in der zweiten Kammer wurden von nur zwei Sanitätskorpsmitgliedern verpflegt. Sosnitski, der nicht mehr aus dem Koma erwachte, war am Vortag gestorben. Von den Verwundeten starben täglich zwei, drei oder vier.
    Mirski wandte sich an Pletnew. »Stimmen die uns übermittelten Nachrichten – Ihre Worte, Ihre Information?«
    »Ja«, antwortete Pletnew.
    »Irgendwelche Instruktionen von der Erde?«
    »Nein.«
    »Schlimm?«
    »Sehr schlimm«, sagte Pletnew leise und kratzte sich an der Backe. »Wird keine Sieger geben.«
    »Keinerlei Instruktionen von irgendwo? Vom Verteidigungsrat in irgendeiner Schanze, von einer Gruppe, einer Station, von überlebenden Offizieren?«
    Pletnew schüttelte den Kopf. »Nichts. Um uns kümmert sich derzeit verständlicherweise keiner.«
    »Haben Sie irgendwelche Kriegshandlungen mitbekommen?« fragte Mirski mit verkniffener Miene.
    »Wir haben Rußland die ganze Nacht leuchten gesehen. Ganz Europa brennt.«
    »Wer von Ihnen spricht Russisch?« erkundigte sich Mirski unwirsch und musterte dabei Lanier und Jaeger.
    »Beide«, erklärte Lanier.
    »Gewinnt Ihr Land?«
    »Nein«, sagte Lanier.
    »Wir sind alle Schweine«, sagte Mirski.
    Pletnew schüttelte den Kopf. »Wir haben alle nur unsere Pflicht getan, Genosse General. Sie haben eine respektable…«
    »Wie viele Schiffe haben überlebt?« unterbrach ihn Mirski.
    »Vier«, antwortete Pletnew. »Und wie viele Männer?«
    Lanier, Jaeger und Major Annenkowski warteten auf Mirskis Antwort.
    »Zweihundert- nein, ungefähr hundertachtzig hier.«
    Mirski runzelte, an Lanier gewandt, die Stirn. »Ich weiß nicht, wie viele in den andern Kammern. Vielleicht siebenhundert insgesamt. General Sosnitski ist gestern gestorben.«
    »Dann sind Sie der ranghöchste Offizier«, stellte Pletnew fest.
    »Wir sollten uns an den Verhandlungstisch setzen«, sagte Lanier. »Es wäre sinnlos, den Kampf wiederaufzunehmen.«
    »Ja«, sagte Mirski, der sich auf dem Feld umsah und dann langsam den Kopf schüttelte. »Wenn nur noch wir übrig sind… wäre Kämpfen sinnlos.«
    »Die Erde ist nicht tot«, betonte Lanier. »Sie ist schwer angeschlagen, aber nicht tot.«
    »Wie kommt’s«, sagte Mirski, »daß Sie so sicher sind?«
    »Ja«, sagte Pletnew in Englisch. »Sie haben also Verbindung zu Ihren Vorgesetzten?«
    »Nein«, erwiderte Lanier. »Ich habe davon gelesen und es kommen sehen. Es ist eine lange Geschichte, General Mirski, und ich glaube, es wird Zeit, daß sie bekannt wird.«
     
    Während die Toten liegenblieben, wo sie gefallen waren, wurde den Russen Zutritt in die ersten vier Kammern eingeräumt, wofür Angehörige des westlichen Blocks wiederum Zutritt zum Lager und Aufzug Null der ersten Kammer bekamen. Man verpflichtete sich, von bilateralen Sicherheitstruppen die Verkehrswege überwachen zu lassen. Unter dieser Voraussetzung wurden Leichen und Trümmer von der südlichen Kappe und aus dem Bohrloch entfernt; die verbliebenen russischen Schwertransporter bekamen Landeerlaubnis.
    Die Verhandlungen wurden in der ersten Kammer geführt, in der Cafeteria des ersten wissenschaftlichen Lagers. Die Hälfte der Unterkünfte im zweiten Lager wurde einstweilen an russische Soldaten abgetreten; eine weiße Linie markierte die Sektoren und wurde auf einer Seite von fünf Marinern und auf der andern von fünf müde dreinschauenden SST – Angehörigen der Sowjetischen SchockTruppen – bewacht.
    Wie die Russen schließlich zu erkennen gaben, wollten sie die meisten Soldaten aus der ersten Kammer abziehen und beanspruchten einen Großteil der Kammer vier.
    Gerhardt sprach mittels Lanier und Jaeger zu Mirski. Oberst Vielgorski – ein finsterer, gutaussehender Mann mittleren Alters mit pechschwarzem Haar und grünen Augen – beriet Mirski in politischen Fragen. Major Belozerski hielt sich stets in der Nähe auf.

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