Aerztekind
Toilettengang seit Neustem höllische Schmerzen hatte, nicht zusammen.
»Der wichtigste Rat, den ich dir in Bezug auf Sexualität geben kann, ist folgender«, sagte mein Vater weise und autoritär, als ich ihn aufgrund der nicht wegzudiskutierenden Blasenerkrankung aufsuchte, und ich war zum ersten Mal gespannt, was jetzt kommen würde. »Nach dem Sex immer Pinkeln! Für euch Frauen ist das sehr wichtig, denn sonst bleiben die ganzen Keime und Erreger drin, die dir dein Freund über seinen Penis ins Haus schleppt.«
Das war ja ein – toller Rat. Damit würde ich bestimmt die Dr.-Sommer-Seite in der Bravo revolutionieren. Und was würden meine Altersgenossen erst sagen, wenn ich mit dieser bombastischen Neuigkeit an die Öffentlichkeit treten würde?
Ich war enttäuscht. Der wichtigste Ratschlag meines Vaters war, ich solle regelmäßig aufs Klo gehen. Und mich selbst befriedigen. Wenn das nicht unsexy war, wusste ich auch nicht.
Sosehr ich die Tatsache, dass mein Vater gern in schillernden Farben über Sex, Geschlechtskrankheiten und sein eigenes Liebesleben sprach, in meiner Pubertät verdammt hatte, sosehr profitierte meine Schwester davon. Die war mit fünfundzwanzig zum ersten Mal beim Frauenarzt, nahm zu diesem Zeitpunkt aber schon seit acht Jahren die Pille. Papa macht’s möglich. Auch das jährliche Abtasten der Brust übernahm mein Vater gern beim Mittagessen. »Papa, ist das ein Knoten?«, war der gerngesehene Aufhänger, um einfach mal schonungslos die Hüllen fallen zu lassen.
Anscheinend war ich die Einzige, die sich mit der Freizügigkeit meiner Familie nicht immer wohlfühlte. Von meinen mitpubertierenden Freundinnen mal abgesehen, die scharlachrot anliefen, wenn mein Vater im eng anliegenden Slip ins Wohnzimmer marschierte und in die illustre Runde fragte: »Und wer geht jetzt mit saunieren?«
In einem Sommer schockierte mich mein Vater aber ganz besonders. Ich war vielleicht fünfzehn und wurde von meinen Eltern zu einer Radwanderung an der Donau verdonnert. »Wir fahren mit dem Flusslauf, es geht also nur bergab«, hatte mein Vater versprochen, und ich war naiv genug gewesen, um ihm zu glauben. Denn am ersten Tag offenbarte sich, dass wir zunächst einmal zur Quelle der Donau fahren mussten, und Flussquellen liegen bekanntlich in den Bergen. Und als ob das nicht schlimm genug gewesen wäre, wurden meine beiden kleinen Schwestern fast die ganze Strecke über von Papa und Mama geschoben, ich hingegen musste mit drei Gängen gucken, wo ich blieb.
Ein paar Tage später, die Berge lagen glücklicherweise hinter uns, und es ging wirklich nur noch bergab, kamen wir an eine seichte Stelle der Donau.
»Hier versickert die Donau fast ganz, um ein paar Meter weiter wieder aus dem Erdreich zu sprudeln, ist das nicht verrückt?«, begeisterte sich mein Vater und riss sich in seiner blinden Euphorie die Kleider vom Leib. »Ich geh schwimmen, wer noch?«
Und ehe ich es mich versah, waren auch meine Schwestern nackt und sprangen neben meinem entblößten Vater in die versickernden Fluten. Die vorbeifahrenden Radfahrer schauten belustigt, ich hörte sogar einige Pfiffe. Ich steckte mitten in der Pubertät und schämte mich so sehr, dass ich mir wünschte, wie die Donau im matschigen Sand zu versinken und erst tausend Kilometer weiter in Budapest oder noch besser erst am Schwarzen Meer wieder aufzutauchen. Bei meiner neuen Familie.
Allein in meinen Freundinnen fand ich Verbündete. Es kam immer wieder vor, dass sie, wenn sie sich die Pille danach in der Notdienstzentrale besorgen mussten, weil die altbewährte Verhütungsmethode Koitus interruptus mal wieder nicht geklappt hatte, sie vergessen hatten, die Pille zu nehmen oder das Kondom falsch herum aufgestülpt worden war, zuerst mich anriefen.
»Hat dein Vater Dienst?«
»Ja. Wieso?«
»Scheiße, dann wart ich lieber noch bis morgen. Ich brauch die Pille danach, aber das ist mir so peinlich, wenn ich da deinen Alten treffe.«
Und auch meinem Vater war das rege Sexual-, aber mangelhafte Verhütungsverhalten meiner Freundinnen aufgefallen. »Sag der Sabine mal, sie soll sich eine Spirale einsetzen lassen. Kann ja irgendwie nicht sein, dass ausgerechnet bei ihr immer das Kondom verrutscht, oder?«
Doch das alles war nichts im Vergleich zu dem, was mir mein Vater antat, als ich, gerade volljährig geworden, mit einer mittelschweren Nierenbeckenentzündung (das Resultat einer nicht erkannten bzw. nicht gemeldeten Blasenentzündung bei fortlaufendem
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