Aeternum
aufwache. Der, den du hast, sieht zu sehr nach schlechten Neuigkeiten aus.«
Kurz huschte ein Lächeln über seine Züge. »Ich habe tatsächlich schlechte Neuigkeiten. Du hast die Kontrolle verloren, und wir sind eingeschlossen.« Er sprach schnell, als hätte er nicht viel Zeit, um alles zu sagen, was gesagt werden musste. »Du musst die Macht abgeben, bevor du noch größeren Schaden anrichtest. Wenn ich dich richtig verstanden habe, müsstest du das ohnehin, um die Energie in die Schöpfung zurückzuführen, die die Seraphim ihr entzogen haben.«
Ruckartig setzte sich Amanda auf. Die Bewegung sorgte dafür, dass die Erinnerungen in ihrem Kopf hin und her zu schwappen schienen. Er war einfach zu schwer, zu voll. »Ich kann die Macht jetzt nicht aufgeben! Gib mir ein bisschen Zeit, und ich komme damit klar.«
Ein Grollen untermalte ihre Worte, Staub rieselte von der Decke.
Mit bedauernder Miene schüttelte Jul den Kopf. »Wir haben keine Zeit. Wenn es so weitergeht, stürzt der Bunker über uns zusammen, bevor wir auch nur angefangen haben, uns freizugraben.«
Das durfte nicht wahr sein! Dies war ihre einzige Hoffnung. Sollte nun alles daran scheitern, dass sie nicht in der Lage war, die Kontrolle zu behalten? So viel anders als Magie konnte diese verdammte göttliche Macht doch auch nicht funktionieren. Andererseits musste sie zugeben, dass sie das mit der Magie auch noch nicht so ganz im Griff hatte.
Wieder tastete sie nach der Macht, wieder drohten Erinnerungen sie zu übermannen. Jul packte sie bei der Schulter, schüttelte sie. »Nicht wieder abdriften, Amanda! Bleib bei mir!«
Sie atmete tief durch, drängte mit einiger Anstrengung die Bilder beiseite. Flammen und Schmerz. Luzifers Erinnerung war voll davon. Und sie hatte gedacht, ihr ginge es scheiße …
Über Juls halb ausgebreitete Flügel hinweg sah Balthasar auf sie hinab, nur ein Schatten hinter dem Licht, das seine Augen reflektierten wie die einer Katze. Er beobachtete sie schweigend, würde warten, bis sie wieder schwach und angreifbar war, bevor er zuschlug. Ihre einzige Chance, ihm zu entkommen, lag in der Macht, von der Jul wollte, dass sie sie aufgab. Verstand der verdammte Engel das denn nicht?
»Sieh mich an, Amanda.«
Sie wandte sich wieder Jul zu. »Ich kann die Macht nicht abgeben.« Irgendwo in der Ferne kollerten Steine.
»Du musst.« Er blickte sie beschwörend, beinahe flehend an. »Wenn hier alles zusammenbricht, werden wir entweder sterben, oder du drehst komplett durch. Wie als ich dich angeschossen habe, nur mit unermesslich größerer Macht. Du könntest die Welt endgültig in den Untergang reißen. Willst du das?«
Amanda biss sich auf die Unterlippe. Konnte sie nicht ein einziges Mal Glück haben? »Ich muss zumindest Roman befreien.«
»Du hast vorhin eine ganze Gruppe von Seraphim in Schach gehalten. Was bringt dich auf die Idee, dass du nicht selbst genug Macht hast, um gegen einen einzelnen Dämon anzukommen?«
Amanda öffnete den Mund, um zu antworten, aber kein Ton kam heraus. Wie sollte sie erklären, dass Balthasar nicht einfach irgendein Dämon war? Er war der Dämon, der sie ein Jahr lang gefangen gehalten hatte, der ihr immer einen Schritt voraus war, der genau wusste, wo er den Hebel ansetzen musste, damit sie tat, was er wollte. Sie hatte sich ihm doch vor kurzem erst nur mit ihrer eigenen Macht gestellt, und sie hatte verloren.
Jul lehnte sich näher, senkte die Stimme. »Du fürchtest ihn mehr, als er verdient hat.«
Amanda schüttelte den Kopf, wollte widersprechen. Aber der Engel fuhr bereits fort. »Außerdem kann ich deinen Bruder befreien, wenn du möchtest.«
Die Fluten der Erinnerungen zerrten an ihr. Doch inmitten von all den fremden Bildern stieg eines auf, das ihr selbst gehörte. Mit einem Mal schien Juls Haar nicht mehr weißblond zu sein, sondern golden. Sie schüttelte den Kopf. »Das hat mir schon mal ein Engel versprochen.«
Juls Miene verdüsterte sich. »Ich bin nicht Michael. Ich schwöre, ich befreie nicht nur deinen Bruder, ich werde auch dafür sorgen, dass Baal euch für den Rest eures Lebens in Ruhe lässt. Ich kann dich beschützen, bis du deine Magie noch etwas besser beherrschst. Ich habe nun genügend Macht. Und ich kann an deiner Seite bleiben, solange du willst. Der Dämon hat recht, weißt du? Ich …« Er stockte, holte tief Luft. Amanda biss sich auf die Unterlippe. Sie ahnte, welche Worte gleich über seine Lippen kommen würden. Doch sie wusste nicht, ob sie
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