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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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»Sei mir nicht bös«, erwiderte sie flüsternd. »Ich habe vielleicht doch Angst.«
    Ein schwerer Arm legte sich um ihre Schultern. Sie schwiegen. »Weiter?«, fragte er nach einer Weile.
    Kato erhob sich wortlos. Wieder ging es durch die Dunkelheit. »Wie kannst du hier etwas sehen?«, fragte sie.
    »Kann nicht. Kenne den Weg.« Er lenkte sie behutsam an einem Hindernis vorbei. Sie hörte, wie er leise zu summen, dann halblaut zu singen begann. Er hatte eine tiefe, volle Stimme, die so schön klang wie die eines Sängers auf einer Opernbühne.
    »Der, welcher wandert diese Straße voll Beschwerden, wird rein durch Feuer, Wasser, Luft und Erden; wenn er des Todes Schrecken überwinden kann, schwingt er sich aus der Erde himmelan«
, sang er, zuerst leise, dann immer lauter, und führte sie im Rhythmus des Gesangs schreitend durch die Finsternis. Kato fühlte sich so geborgen, als ginge sie an der Seite eines echten Riesen durch ein Zauberland.
    »Zauberflöte«, sagte sie flüsternd. »Meine Mutter war Sängerin.«
    Sie hörte ihn atmen. »Ich weiß«, sagte er dann.
    Kato hielt die Luft an, sie hatte Angst, etwas zu stören, was ihr so zart und schillernd, so empfindlich und fragil wie eine Seifenblase erschien. »Wie?«, fragte sie und holte tief Luft. »Du hast meine Mutter gekannt?«
    Seine Hand fasste ihren Arm, er brachte sie zum Stehen. »Leise.«
    Kato lauschte. Sie hörte kein Geräusch, das nicht tropfendes Wasser, laufendes Wasser, fließendes Wasser war. Das vorherrschende Element in diesen Kavernen war Nässe. Es roch nach Brackwasser, nach Fluss, hin und wieder auch nach stinkenden Abwässern. Dies musste die Kanalisation sein, die sich unter dem gesamten Stadtgebiet erstreckte.
    »Weiter«, sagte er. Sie gingen durch die tropfende, flüsternde Finsternis.
    »Wohin bringst du mich?«, fragte Kato zum wiederholten Male. Sie hatte festgestellt, dass er manchmal eine Antwort fand, wenn man ihm die Frage mit Geduld mehrmals stellte.
    »Zur Zuflucht.« Der Druck seiner Hand ließ sie anhalten. Kato hörte das Glucksen von Wasser. Sie standen wohl vor einem der langsam fließenden Kanäle, die Abwässer aus der Stadt transportierten. Eine Weile wanderten sie an dem Kanal entlang, dann sah Kato ein Licht, das vor ihnen auf- und abschwankte und langsam größer wurde. Sie zog an Jewgenijs Ärmel. Der grunzte unschlüssig, blieb stehen. »Wer da?«, rief er.
    Das Licht verharrte, wackelte hin und her. »Wer durchquert unser Gebiet? Rotjacken?«
    »Ich beanspruche im Namen der Acht freies Geleit bis zur Zuflucht«, erwiderte Jewgenij mit fester Stimme.
    »Oha!«, erscholl die Antwort. Es klang nicht besonders freundlich. »Bleib, wo du bist. Ich will dein Gesicht sehen!«
    Kato holte zitternd Luft. »Es wird heller«, wisperte sie. Tatsächlich wich das undurchdringliche Schwarz matten Grau- und Blautönen. Nach und nach begannen sich Einzelheiten aus der Dunkelheit zu schälen. Rundherum erblühten Lichtinseln, einfallendes Tageslicht, das durch Kanalöffnungen drang, wie Speere aus Sonnenlicht querlaufende Bahnen, verwirrende Muster, die dadurch entstanden, dass das Sonnenlicht durch Gitter und durchbrochenes Mauerwerk fiel, sich in Wasserflächen spiegelte und Reflexe auf Mauern und Decken zeichnete, Säulen aus reinem Licht, in denen Staubteilchen wie winzige Feen tanzten, Lichtinseln neben tiefen Pfützen aus Dunkelheit – der schreckliche, düstere Ort war mit einem Mal ein unterirdischer Palast voller silberner, goldener und kupferner Zauberlichter, deren Schönheit Kato den Atem raubte. »Woher kommt all das Licht?«, fragte sie. »Wir sind doch tief unter der Stadt!«
    »Spiegel«, sagte Jewgenij mit einer ungewissen Handbewegung, die ihr verriet, dass er sich auch nicht sicher war.
    Der Mann auf der anderen Seite des Kanals löschte seine Lampe. Er kniff die Augen zusammen und musterte Jewgenij und Kato misstrauisch. Dann nickte er. »Ihr seid keine Rotjacken«, sagte er. »Freies Geleit bis zur Zuflucht.«
    Noch nie zuvor hatte Kato jemanden gesehen, der so zerlumpt und schmutzig war. Gleichzeitig gebärdete sich der Mann nicht minder leutselig und selbstbewusst als die Freunde ihres Vaters, wenn sie sich zu Kaffee, Cognac und einer Zigarre in der Bibliothek einfanden. »Wer ist das?«, fragte sie flüsternd.
    Jewgenij zuckte die Schultern. »Strotter«, erwiderte er leise. Er winkte dem Mann. »Wir kommen rüber.«
    Kato sah ihn und dann den mannsbreiten Kanal an, der zwischen ihnen und dem

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