Aethermagie
klagende Geräusche machte.
Der Mönch, der ihre Bedrückung bemerkte, nahm ihre Hand und lächelte ihr aufmunternd zu. »Komm weiter, Kind. Im Refektorium ist es warm, dort wirst du etwas zu essen bekommen. Aber vorher stelle ich dich dem Pater Guardianus vor.«
Kato erwiderte dankbar den freundlichen Händedruck und ließ sich von ihm durch das verwirrende Höhlenlabyrinth führen. Sie gelangten aus dem großen Säulenraum in einen kleineren Durchgang und dann weiter in eine hallenähnliche Höhle mit einem gigantischen Kamin, in dem ein Feuer loderte, das einem Waldbrand alle Ehre gemacht hätte. Vor dem Feuer stand ein langer Eichentisch, an dessen dem Kamin zugewandter Seite eine Handvoll Männer in dunklen Kutten und warm gefütterten Überwürfen saß, die leise und eindringlich miteinander sprachen. Eine sorgenvolle und angespannte Stimmung lastete auf der Gruppe.
Ihr Begleiter bedeutete Kato, etwas vom Tisch entfernt zu warten. Er legte einen Zeigefinger auf die Lippen, nickte ihr zu und ließ sie stehen, um sich seinerseits dem Tisch zu nähern. Er blieb schräg hinter einem Mann mit einem hageren, tief gefurchten Gesicht mit rotgeränderten Augen stehen. Der Mann hörte konzentriert den Ausführungen eines anderen zu, stellte gelegentlich eine Frage und warf währenddessen Katos Begleiter ein um Geduld bittendes Nicken hin.
Kato verschränkte die Hände hinter dem Rücken und senkte den Kopf. Gelegentlich konnte sie ein paar Worte oder einen halben Satz dessen verstehen, was dort besprochen wurde. Die Sorge und große Angst, die aus diesen Satzfetzen sprachen, ließen ihr kalte Schauder über die Haut rinnen. Jemand war verschwunden. Ein Mann, nein, sogar mehrere Männer und eine Frau. Die Mönche diskutierten erstaunlich heftig darüber, ob eine ihr unbekannte Einrichtung, die sie das »Evidenzbureau« nannten, dahinterstecken mochte.
Jemand war getötet worden, der dem Orden nahegestanden hatte. Die Männer schienen zutiefst betroffen von dieser Nachricht. Einer von ihnen rief erregt – und deshalb konnte Kato seine Worte klar und deutlich verstehen – das alles deute darauf hin, dass jemand die Vernichtung des Ordens betreibe. Er wurde von den anderen beruhigt, aber Kato konnte dem Mienenspiel des Hageren entnehmen, dass er voller Bedenken war.
Dann wandte sich das Gespräch einem anderen Thema zu, das Kato einen unerklärlichen Schrecken einjagte. Die Vierte Abteilung, das Sicherheitsbureau, in dessen Klauen sie sich befunden hatte, war aufgelöst worden. Kato musste ein Gefühl der Bedrückung und Angst abschütteln, das sie sich selbst nicht erklären konnte. Das Rote Haus tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Dort hatte sie sich einem Verhör unterzogen und dort war ihr Vater gestorben. Nein. Nein, das stimmte ja gar nicht. Sie war nie verhaftet worden, ihr Vater war auf dem Maskenball einem Herzanfall erlegen. Kato schnappte nach Luft, ihr wurde schwindelig. Sich widersprechende Erinnerungen kämpften in ihr um die Vorherrschaft und drohten sie schier in Stücke zu reißen.
In ihrem Aufruhr der Gefühle und Gedanken hatte sie nur beiläufig bemerkt, dass ihr Begleiter sich zu dem Hageren gebeugt und ihm etwas ins Ohr geflüstert hatte. Dabei deutete er auf sie. Der Hagere sah sie an, nickte und sagte etwas zu den Umsitzenden. Dann erhob er sich und kam auf sie zu.
Kato vertrieb mit Macht die bösen Bilder aus ihrem Bewusstsein und hob den Kopf. Sie erwiderte den Blick des großen Mönches, der nun bei ihr stehen blieb und mit fragender Geste die Hand ausstreckte. »Wen darf ich in unserem Haus begrüßen?«
Kato ergriff die Hand und deutete eine Verbeugung an – das erschien ihr passender als ein Knicks, da sie doch immer noch Männerkleider trug. »Katharina von Mayenburg«, stellte sie sich vor.
Der Mönch lächelte sie freundlich und, wie ihr schien, mit einer gehörigen Portion Überraschung im Blick an. »Baronesse von Mayenburg«, sagte er. »Welch sonderbares Geschick führt Sie hierher?«
»Mein Name scheint Ihnen bekannt zu sein?« Kato verschränkte unbehaglich die Arme.
Der Hagere neigte den Kopf und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, sie möge ihm folgen. Während sie den Saal in Richtung eines der Eingänge durchquerten, sagte er: »Ich habe mich Ihnen nicht vorgestellt, Baronesse. Ich bin Pater Anselm, der Guardianus des Zeitlosen Ordens.«
»Guardianus? Wie ›Wächter‹?«, fragte Kato.
Der Pater nickte und lächelte. »Pater Guardianus – so lautet die
Weitere Kostenlose Bücher