Aethermagie
bekommen.« Sie zog ihr Schnupftuch hervor, sah sich um, fand die kleine Reiseflasche mit Wasser, die immer in der Tür der Kutsche steckte, und benetzte das Tuch damit. Als sie sich damit dem Gesicht ihres Vaters näherte, stöhnte der vor Schreck und drehte sich weg. »Papa«, rief Kato, der die Geduld langsam ausging, »nun halt schon still. Du willst doch nicht mit dieser ekligen Schminke im Gesicht herumlaufen.« Sie griff nach seiner Schulter und rieb ihm mit dem feuchten Tuch über die Wangen, während er jammerte und protestierte, sich aber nicht weiter zu wehren versuchte.
Schließlich ließ sie das feuchte, von all der Schminke schmierige Tuch sinken. »Immerhin besser als vorher«, murmelte sie unzufrieden.
Ihr Vater befühlte das immer noch mit Resten von Schminke bedeckte Kinn und gab leise Jammerlaute von sich. Kato beugte sich vor und küsste ihn auf die Wangen. »Gleich sind wir daheim«, beruhigte sie ihn.
Die Kutsche holperte über die Einfahrt und durch das Tor in den Hof. Kato hielt die Hand ihres Vaters, der sich inzwischen mit ihrer Gegenwart ausgesöhnt zu haben schien. Er erwiderte matt den Druck ihrer Finger und starrte mit leerem Blick aus dem Fenster. Kato musterte ihn voller Zorn. Doktor Rados durfte ihm diese Arznei nicht mehr verabreichen, die aus ihm einen wandelnden Toten machte!
Diener und Kutscher halfen mit vereinten Kräften dabei, Katos Vater aus der Kutsche zu holen. Er versteifte sich darauf, nicht aussteigen zu wollen, klammerte sich am Sitz fest und greinte wie ein Kind.
Kato zitterten vor Anstrengung die Knie, als sie endlich mit ihm im Hof stand. Sie gab dem Kutscher Adelaïdes Weisungen weiter und schob ihren Vater dann zum Haus.
Niemand öffnete ihnen die Tür. Kato zog sie auf und blickte befremdet in die leere, dunkle Eingangshalle. Wo war die Dienerschaft?
»Florian«, rief sie, und ihr Ruf hallte durch das Haus. »Ivanka! Jozef? Anna? Wo seid ihr?«
Es war gespenstisch still, fast so, als wäre das Haus vollkommen verlassen. Kato biss sich unschlüssig auf die Lippe. Sie konnte ihren Vater natürlich schon einmal hinauf in sein Schlafzimmer bringen, aber wer würde ihn dann auskleiden und für die Nacht zurechtmachen? Und wen konnte sie zu Dr. Rados schicken?
Dann erlöste sie das Geräusch von schnellen Schritten aus ihrer Sorge. Sie wandte den Kopf und sah Florian, den Kammerdiener, heraneilen. »Fräulein von Mayenburg«, sagte er atemlos. »Herr Baron. Um Vergebung …« Er griff ohne weitere Umstände nach dem Arm des Freiherrn und leitete ihn mit sanfter Gewalt zur Treppe. »Ich kümmere mich um ihn«, sagte er, während er Katos Vater Stufe um Stufe hinaufschob.
»Danke, Florian«, rief Kato ihm erleichtert hinterher. Dass ihr Mädchen sich nicht rührte, war nicht schlimm. Dies waren keine Kleidungsstücke, aus denen sie nicht ohne Hilfe hinauskam. Sie hatte weder Hunger noch Durst, wollte nur noch in ihr Bett. »Florian«, rief sie schnell, »die gnädige Frau kommt später nach. Würdest du bitte jemanden schicken, der Dr. Rados holt?«
Sie hörte seine Antwort und wandte sich ab. In der Küche war sicherlich noch heißes Wasser bereitgestellt, für einen Abendtee und die Lavoirs. Die Vorstellung, noch einen Becher mit heißem, süßem Minztee mit ins Bett zu nehmen, war zu verlockend.
Auch in der Küche traf sie niemanden an. Der große, schwarze Herd strahlte noch Wärme ab, aber der Wasserkessel war schon so abgekühlt, dass Kato ihren Wunsch nach einem heißen Tee mit einem kleinen Bedauern herunterschluckte. Es war schon merkwürdig, dass keins der Küchenmädchen mehr über den Herd wachte.
Das Haus war so still, wie sie es noch nie erlebt hatte. Es war, als wäre jemand plötzlich gestorben, ohne dass sie es bemerkt hatte, und läge jetzt bleich und reglos vor ihren Füßen. »Florian war ja da«, sagte sie halblaut und erschrak über den Klang ihrer eigenen Stimme. Wahrscheinlich schliefen alle. Wie in dem Märchen, in dem eine böse Fee ein ganzes Schloss in den Schlaf versenkt hatte …
»Hör jetzt auf damit, das ist albern!«, befahl Kato sich energisch.
An der geöffneten Küchentür blieb sie stehen. Was war das für ein Geräusch gewesen? Hatte jemand geschrien? Sie lauschte, aber wieder war alles so totenstill wie zuvor. Katos Herzschlag erklang in der Stille so laut, dass er in ihren Ohren dröhnte. Kurz entschlossen griff sie nach einem der scharfen Messer, die in einem großen Holzblock steckten. Es war albern, ganz und gar
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