Aethermagie
Zellen. Als die Türverriegelung aufschnappte, fuhr sie aus ihrem Dämmerzustand in die Höhe.
Die Tür öffnete sich und der Kommissär trat ein, gefolgt von einem jungen Polizisten. Pejić hatte seinen Mantel und den Hut abgelegt und hielt einen Aktenordner in der Hand.
»Fräulein von Mayenburg«, sagte er und legte den Ordner auf den Tisch, »es tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen. Zurzeit ist die Vierte Abteilung über die Maßen ausgelastet.« Er strich sich mit einer matten Geste über die Augen. Das grelle Licht über ihren Köpfen ließ seinen schwarzen Ziegenbart glänzen und zeichnete dunkle Schatten unter seine Brauen.
Kato sah ihn stumm an. Was erwartete er – Beileidsbekundungen?
Er schien ihre Gedanken zu empfangen, denn er straffte seine Haltung. »Sie fragen sich, was wir von Ihnen wollen.«
»Herr Kommissär«, sagte Kato, »ich frage mich zurzeit gar nichts mehr. Wenn Sie so freundlich wären, mir ein Zimmer anzuweisen, damit ich mich ein wenig ausruhen kann …«
Pejić schüttelte bedauernd den Kopf. »Wenn es nach mir ginge, gäbe es nichts, was ich lieber täte, Fräulein von Mayenburg. Es liegt allerdings vollkommen in Ihrer Hand, unsere kleine Unterhaltung so kurz und erfreulich zu gestalten, wie es eben geht, damit wir beide in unsere respektiven Betten gehen können.«
Kato nickte ergeben. »An mir soll es nicht liegen«, sagte sie. »Was also kann ich für Sie tun?« Doch ehe der Kommissär etwas erwidern konnte, fügte sie hinzu: »Wo befindet sich mein Vater und wie geht es ihm?«
Der Kommissär kniff die Lippen zusammen. Kato glaubte, einen unterdrückten Seufzer zu vernehmen. »Ich darf Ihnen in dieser Angelegenheit eigentlich keine Auskunft erteilen.«
»Eigentlich?«
Dieses Mal war der Seufzer deutlich zu hören. Pejić beugte sich vor und murmelte: »Ihrem Herrn Vater geht es den Umständen entsprechend gut. Er fantasiert. Aber ein Arzt ist bei ihm und kümmert sich um ihn.«
Kato schnappte nach Luft. »Den Umständen entsprechend gut«, gab sie in scharfem Flüsterton zurück, »aber er fantasiert? Und wo haben Sie ihn hingebracht? In seinem gesundheitlichen Zustand gehört er in sein Heim, in die Obhut seiner Frau und seines Hausarztes!«
Pejić zuckte leicht mit den Lidern. Sein Gesicht blieb ansonsten unbewegt. »Sein Hausarzt«, wiederholte er laut. »Damit können wir beginnen, Fräulein von Mayenburg. Erzählen Sie mir doch bitte ein wenig über die Behandlungsmethoden des Herrn Dr. Rados.« Er lehnte sich zurück und vollführte eine einladende Handbewegung.
Kato schwirrte der Kopf. Warum fragte der Kommissär sie ausgerechnet nach dem Nervenarzt? Sie hatte alles erwartet, aber das nicht. »Dr. Rados ist unser Arzt, seit ich denken kann«, begann sie zögernd. »Ich weiß nicht, warum sich das Sicherheitsbureau für ihn interessieren könnte …« Sie ließ den Satz in der Schwebe und sah Pejić fragend an. Der reagierte nur mit einem auffordernden Nicken.
»Er behandelt meinen Vater wegen seines Nervenleidens«, fuhr Kato langsam fort. »Soviel ich weiß, verabreicht er ihm beruhigende Substanzen, unter anderem Laudanum, damit Papa ein wenig Schlaf findet.«
»Laudanum«, wiederholte Pejić. Seine Stimme und sein Gesichtsausdruck waren neutral.
»Ja. Unter anderem.« Kato runzelte die Stirn. »Und er hypnotisiert Papa. Mehr kann ich nicht sagen. Sie sollten ihn vielleicht selbst dazu befragen.«
»Ihren Herrn Vater?«
»Den Doktor!« Kato konnte nicht verhindern, dass sie gereizt klang. »Herr Kommissär, Sie haben mich doch nicht mit großem Aufwand verhaftet, um mich mit solch albernen Fragen zu behelligen, die Sie auch genauso gut morgen beim Tee in unserem Salon hätten stellen können?«
Pejić hob die Hand, um ein Schmunzeln zu verbergen. »Liebes Fräulein von Mayenburg, Sie haben natürlich vollkommen recht. Gut, kommen wir zur Sache.« Er schlug den Aktenordner auf und las sich eine mit blauer Tinte eng beschriebene Seite durch. Kato bemühte sich, etwas von dem auf dem Kopf stehenden Geschreibsel zu entziffern, aber die Schrift war zu klein.
»Seit wann können Sie mit Elementaren kommunizieren?«
Kato wurde schwindelig. Dieser gemeine Mensch jagte sie von einem Entsetzen ins nächste. »Ich kann nicht … Was soll das denn sein? Elementarwesen? Das habe ich noch nie gehört.« Sie verschränkte ihre plötzlich zitternden Hände fest im Schoß.
Der Kommissär betrachtete sie mit einem halben Lächeln. »Und Ihr Herr Vater? Was hat
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