Aethermagie
die Kanalisation?«
Pejić warf ihr einen schnellen Seitenblick zu. »Ja, in gewissem Sinne haben Sie recht«, erwiderte er. »Es besteht die Möglichkeit, von hier aus die Kanalisation zu betreten.«
Das ergab Sinn. Immerhin war die Geheimpolizei auch für die Gebiete unter der Stadt zuständig – und wer konnte schon sagen, was sich dort so alles an lichtscheuem Gesindel verbarg.
Sie dachte noch darüber nach, als Pejić plötzlich vor einer schwarzen Metalltür anhielt. Der junge Polizist zog einen schweren Schlüsselbund aus der Tasche.
Kato fühlte ihren Puls in der Kehle klopfen. Sie verschränkte ihre unruhigen Finger und wartete, dass Wolffers die Tür aufsperrte. Der hantierte eine Weile am Schloss herum und drehte sich dann mit entschuldigender Geste zu Pejić: »Um Vergebung, Herr Kommissär, der richtige Schlüssel ist nicht dabei.«
»Dann laufen Sie und holen ihn«, erwiderte Pejić nicht ohne Schärfe.
Wolffers machte wortlos kehrt und rannte davon. Kato starrte auf ihre Füße. Ihr Herz schlug so schnell, als stünde ihr etwas Schreckliches bevor. Der Kommissär stand neben ihr und starrte die verschlossene Tür an. »Ich muss Sie darauf vorbereiten, dass der Zustand Ihres Herrn Vaters kein sonderlich guter ist«, sagte er leise. »Ich fürchte, Sie werden ihn nicht ansprechbar finden.«
Kato atmete tief und zwang sich zu einer ruhigen Antwort: »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun, wenn Sie ihn hier festhalten. Er gehört in die Obhut seines Arztes.«
Pejić sah sie an. »Sind Sie sich dessen so sicher?«
Der im Laufschritt herannahende Polizist Wolffers enthob sie der Notwendigkeit einer Antwort, die sicherlich patziger als dienlich ausgefallen wäre. Kato sah voller Ungeduld zu, wie der junge Polizist einen Schlüssel in das verdeckte Schlüsselloch steckte und ihn herumdrehte. Das Schloss knackte, die Tür sprang auf. Kein Riegel dieses Mal, dachte Kato, und der Gedanke stimmte sie nicht froh, sondern besorgt.
Es war eine kärglich ausgestattete Zelle, in die sie geführt wurde. Auf einem Tisch stand eine Waschschüssel, vor dem niedrigen Bett ein Hocker, und auf dem Bett ruhte ihr Vater unter einer dünnen Wolldecke. Man hatte ihm die restliche weiße Schminke vom Gesicht gewaschen.
»Papa«, rief sie erleichtert – jetzt erst wurde ihr bewusst, dass sie befürchtet hatte, er wäre gar nicht hier, sondern an einem noch schrecklicheren Ort. Kato schüttelte den Gedanken ab, der ihr mit kalten Geisterfingern über den Rücken fuhr. Sie durchquerte mit ein paar großen Schritten die Zelle und kniete neben dem kargen Lager nieder. »Papa?« Sie griff nach seiner Hand. Kalt war sie, und seltsam leblos. Und wie er da lag, so still und starr. Kein Muskel regte sich, kein Zeichen, dass er sie hören konnte. Atmete er überhaupt? Und sein Gesicht war so blass, die Lippen grau, die geschlossenen Lider bläulich verfärbt …
Kato riss den Kopf hoch und starrte Pejić an, der ihren Blick voller Unbehagen erwiderte. »Baronesse, es ist nicht, wie Sie denken«, begann er, aber Katos Schrei übertönte, was er noch hatte sagen wollen.
»Sie haben ihn umgebracht! Er ist tot!«
Laute Stimmen drangen durch die dichte graue Decke der Hoffnungslosigkeit, die Kato einhüllte, seit sie in ihre Arrestzelle gebracht worden war.
Sie lag auf dem Rücken und starrte die Decke an. Ein Riss zog sich quer über den Plafond, der aussah wie ein Fluss mit kleinen Nebenarmen. In einer Ecke klebte ein uraltes, mit Staubflusen und Fliegenleichen überzogenes Spinnennetz. Das immer gleiche Licht ließ jedes Gefühl für die Tageszeit verschwinden. Es konnte genauso gut tiefste Nacht wie heller Mittag sein – Kato hätte es nicht sagen können. Es war still in diesem unheimlichen Gebäude. Gelegentlich hörte sie Schritte, die an der Zelle vorbeieilten. Dann wieder ferne Stimmen, das Klirren von Schlüsseln oder Geschirr, wenn das Essen gebracht wurde. Ein- oder zweimal hatte sie auch geglaubt, Schreie zu hören, laut und schrill, aber weit entfernt. Dann war es wieder still.
Sie hatte geschrien und um sich geschlagen, den Kommissär beschimpft und angespuckt und ihn verflucht für das, was er ihrem Vater angetan hatte.
Pejić war es nicht gelungen, sie zu beruhigen. Sie hatte ihm nicht zuhören wollen. Es interessierte sie nicht, welche Ausflüchte und Ausreden, Beschwichtigungen und Lügen er anzubringen versuchte. Schließlich hatte er aufgegeben, zu ihr durchdringen zu wollen. »Bringen Sie das Fräulein
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