Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
Paul. „Valentin hat diese Puppen gebaut. Ich glaube, die Frau soll seine Mutter darstellen.”
Friedrich nickte: „Ja, der Bader hat sie uns gezeigt. Wer ist der andere?”
„Er nennt sich Christian Sebastian Rosenherz”, sagte Paul leise.
Friedrich warf einen Blick auf den Professor. „Sieht wirklich aus wie auf den Bildern. Das war noch vor ein paar Minuten nicht so. Auch die andere Puppe sieht jetzt anders aus.”
Paul nickte und zeigte nach unten: „Schau mal auf den Boden. Unter dem Æther krabbeln überall kleine Maschinchen herum, die sich ständig neu verbauen und verändern. Es ist großartig und wahnsinnig zugleich. Er hat eine Babbage Maschine da unten, und sie steht über einer Ætherquelle. Irgendwie interagieren der Æther und die Maschine, und überhaupt all diese Teile miteinander. Ich hatte so etwas schon selbst vermutet, aber in diesen Dimensionen ...”
„Was bedeutet das? Ist es gefährlich.”
Paul schüttelte den Kopf: „Im Moment ist die Maschine auf unserer Seite. Er nennt sie die »Oberste Ordnung«”, sagte Paul und deutete auf den mechanischen Mann.
„Warum ist sie auf unserer Seite?”
„Ich bin mir nicht sicher”, sagte Paul und zuckte mit den Schultern. „Die »Oberste Ordnung« arbeitet mit Lochkarten. Normalerweise dürfte sie nur so kreativ sein, wie das, was ihr eingegeben wird. Aber sie kann mehr. Ihre kleinen Konstrukte haben meine Brosche analysiert. Sie müssen bis in die zugrunde liegenden Baupläne eingedrungen sein, und sie ist beeindruckt. Soweit man so etwas von einer Maschine behaupten kann.”
„Mann Brüderchen”, sagte Friedrich und klopfte Paul auf die Schulter. „Erst verschaffst du dir mit deinen Mechaniken ein feines Fräulein, dann die Gunst einer monströsen Maschine. Ist das nun Glück oder Können, wie sollen wir es nennen?”
„Das ist mir egal”, sagte Paul mit einer wegwerfenden Geste. „Ich möchte mich eigentlich nicht auf diese Gunst verlassen. Wer weiß, ob die Maschine sich nicht besinnt, oder durch einen Trick von Valentin wieder von seiner Regentschaft überzeugt werden kann. Wir müssen uns beeilen. Ich habe kein gutes Gefühl, was Annabelle betrifft.”
Der Metallmann nickte und drehte seinen Kopf zur Seite: „Sie ist in Gefahr. Aber sie flieht gerade. Wir kommen sicher noch rechtzeitig.”
Paul hoffte inständig, dass der Professor recht hatte, und wollte gerade fragen, woher dieser das wusste, als er spürte, wie es an seinem rechten Arm kribbelte. Er wollte sich kratzen und stellte fest, dass er nicht seine Haut spürte, sondern Metall. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass sein ganzer Arm von einer dünnen Schicht silbrigem Metall überzogen war, die bis zum Hals hochging.
„Was ist das?”, fragte er den Professor entsetzt.
Ohne hinzusehen antwortete der: „Sie brauchen Schutz.”
„Ich will das nicht”, sagte Paul wütend. „Stoppt das.” Die Metallschicht verschwand und tropfte zu Boden.
Sein Bruder sah ihn an und seine Augen weiteten sich: „Du solltest es ausnutzen.”
„Und wenn es sich die »Oberste Ordnung« anders überlegt, dann erwürgt sie mich?”, Paul schüttete den Kopf. „Das ist mir zu riskant.”
„Die »Oberste Ordnung« kann jeden von Ihnen jederzeit töten”, sagte die Metallfrau monoton.
„Das beruhigt mich jetzt.” Paul versuchte vergeblich, eine rationale Entscheidung zu treffen.
„Die »Oberste Ordnung« hat erkannt, wie klein ihre Welt war”, sagte die mechanische Frau. „Sie hat gelernt, wie wichtig Symmetrie ist, Gleichgewicht und Ausgewogenheit. Wir wollen mehr darüber erfahren. Wir sind – dankbar – für diese Erkenntnis.”
Dankbarkeit war ein Gefühl. Die »Oberste Ordnung« versuchte, Gefühle zu erforschen. Paul wusste es schon, aber er konnte es nicht aussprechen: Die Maschine durfte nicht weiter existieren. Wenn das hier vorbei war, musste sie irgendwie zerstört werden. Es gab für so etwas keinen Platz auf dieser Welt.
Er sah Friedrich an. Der nickte ernst und sie beeilten sich.
* * *
Annabelle wollte die Treppe herunter rennen, und dann einfach weiter, egal wohin, irgendwo würde es einen Ausweg geben, aber sie wurde brutal zurückgerissen. Eine stählerne Hand grub sich in ihre linke Schulter und schleuderte sie gegen das Geländer. Sie schrie vor Schmerzen und erkannte, dass es die scheußliche Metallfrau mit den aufgenähten Hautlappen war, die jetzt wieder mit stählernen Klauen nach ihr griff. Annabelle versuchte, ihre
Weitere Kostenlose Bücher