Affaere im Paradies
mein Kollege, Matthew Bates.«
Louis’ Blick streifte Matthew und wurde kälter. »Ich glaube, wir kennen uns.«
»Etwas Tee, Louis?« Marion griff nach der Kanne.
»Nein.« Er klang kurz angebunden, aber Marion reagierte nur mit zusammengekniffenen Lippen darauf. Keinem der Männer fiel es auf, da beide Laurel anschauten. »Wir sind nicht zum Tee und Kuchen hier, nicht wahr, Laurel?« murmelte Louis, bevor er den Raum durchquerte und vor dem leeren Kamin stehen blieb, über dem ein Ölgemälde seiner Mutter hing. Laurel konnte sich gut daran erinnern. Es hatte dort schon seit Jahren gehangen, ausgenommen eine kurze Zeit, als Elise Trulanes Porträt es ersetzt hatte. »Warum bringen wir die Sache nicht hinter uns?« schlug Louis vor. »Ich habe zugestimmt dich und Mr. Bates zu empfangen, um den von Susan in die Welt gesetzten Gerüchten ein Ende zu machen.« Er sah Laurel mit einem langen Blick an. »Stell deine Fragen. Einmal hatte ich all die Antworten für dich.«
»Louis …« Sie wollte zu ihm gehen, ihn irgendwie trösten, aber der Blick aus Matthews Augen hielt sie davon ab. »Ich bedauere, dich auf diese Weise zu behelligen. Es tut mir sehr Leid.«
»Es muss dir nicht Leid tun.« Louis nahm sich eine dünne Zigarre, blickte sie einen Moment an, bevor er sie anzündete. »Nichts bleibt so, wie es einstmals war. Tue das, weshalb du gekommen bist.«
Laurel fühlte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Louis besaß noch immer Macht, eine Macht, die sie bereits als Kind erkannt hatte. Diese Macht hatte ihn dazu gebracht, die Zügel einer millionenschweren Firma in die Hand zu nehmen, noch ehe er seinen College-Abschluss gemacht hatte. Sie hatte es ihm ermöglicht, ein junges Mädchen derart zu verzaubern, dass die Frau sich außer Stande sah, ihn zu vergessen. Aber diese Macht war jetzt so kalt. Laurel blieb in der Mitte des Salons stehen, während sich die Lücke zwischen ihren Erinnerungen und dem Heute vergrößerte.
»Susan ist sicher, dass Anne niemals allein in die Sümpfe hinausgegangen wäre«, fing sie an und wusste, dass es ein schlechter Beginn war. »Susan behauptet, dass Anne eine krankhafte Angst vorm Dunkeln hatte und dass sie in ihren Briefen ihre besondere Furcht vor dieser Gegend ausgedrückt hatte.«
»Und sie glaubt, man habe Anne gezwungen, dorthin zu gehen«, folgte Louis. »Das alles weiß ich bereits, Laurel.«
Sie war Journalistin, sie hatte eine Aufgabe. Sie musste sich das vor Augen halten. »Hat sich Anne vor den Sümpfen gefürchtet, Louis?«
Er zog an seiner Zigarre und sah sie durch den Rauch hindurch an. »Ja. Aber sie ist hineingegangen«, fügte er hinzu, »weil sie dort gestorben ist.«
»Warum sollte sie dorthin gegangen sein?«
»Vielleicht um mich zu erfreuen.« Achtlos schnippte er die Zigarrenasche in den sauberen Kamin. »Sie hatte angefangen, sich albern zu fühlen wegen der Furcht, die sie seit Kindestagen mit sich herumgeschleppt hatte. Wenn ich bei ihr war«, murmelte er, »brauchte sie nachts kein Licht im Korridor.« Er hob abrupt den Kopf auf die gleiche arrogante Weise, die Laurel von ihm als jungen Mann kannte. »Die Geschichte von den Gespenstern im Sumpf brachte sie dazu, sich alles Mögliche einzubilden. Ich wurde ungeduldig.« Er zog wieder an seiner Zigarre, dieses Mal heftiger. »Sie hatte ein – Bedürfnis nach meiner Anerkennung.«
»Du glaubst, dass sie mitten in der Nacht aufgestanden und dahin gegangen sein könnte, um dir zu gefallen?« fragte Laurel und trat einen Schritt auf ihn zu.
»Es ergibt mehr Sinn, als anzunehmen, dass jemand sich gewaltsam Zutritt verschafft und sie nach draußen gezerrt hat, ohne dass ich selbst oder irgendeiner der Hausangestellten auch nur den geringsten Laut vernommen haben.« Er sah sie wieder kühl, kompromisslos an. »Ich nehme an, du hast den Polizeibericht gelesen.«
»Ja.« Sie befeuchtete sich ihre Lippen, als sie sich an die Fotografie erinnerte. »Ja, das habe ich.«
»Dann brauche ich dazu ja nichts zu sagen.«
»Litt Ihre Frau des Öfteren unter Schlafstörungen?« warf Matthew ein und beobachtete, wie ein kleiner Muskel an Louis Kinn arbeitete.
»Gelegentlich. Besonders, wenn ich noch arbeitete.« Er sah über Matthews Kopf durch die langen Fenster hinweg. »Sie dachte, sie habe Lichter in den Sümpfen gesehen.«
»Hat sonst noch jemand sie gesehen?«
Louis’ Lippen verzogen sich etwas, was einem Lächeln gleichkam. »In all den Jahren haben Dutzende von Menschen das behauptet – gewöhnlich
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