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Affinity Bridge

Affinity Bridge

Titel: Affinity Bridge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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Pflichten ledig zu sein, huschte sie aus dem
Esszimmer und warf einen letzten Blick auf Veronica, die hinter ihr die Tür
schloss. Sie verstand nicht, welche Rolle Veronica bei dieser Angelegenheit
spielte, und hatte gemischte Gefühle, was diese Sache anging. Andererseits
hatte Veronica sich unentbehrlich gemacht, indem sie sich um Newbury gekümmert
hatte, und es war ihr gelungen, ihn aus seinem Arbeitszimmer zu locken.
Dagegen fand sie es wiederum unziemlich, dass ihr Arbeitgeber seine Assistentin
so mir nichts dir nichts in den Haushalt eingreifen ließ und sogar in
Anwesenheit von Dritten zu erkennen gab, auf welch vertrautem Fuße der Gentleman
und die Dame standen. Jedenfalls empfand sie sehr viel Respekt vor Newbury, und
da sie schon viele Jahre in seinen Diensten stand, hatte sie beschlossen,
seinem Gefühl für Anstand zu vertrauen und nichts zu sagen, was etwa als
Beleidigung aufgefasst werden konnte. Sie nahm immer zwei Stufen auf einmal,
als sie die Treppe hinaufstieg, denn sie wollte umgehend zu ihren übrigen
Hausarbeiten zurückkehren, um wenigstens einen Anschein von Normalität zu erzeugen,
ehe der Tag zu Ende ging.
    Veronica trank unterdessen einen Tee und beobachtete Newbury, der
sich voll Heißhunger auf die Mahlzeit stürzte. Die letzte Stunde hatte er in
seinen privaten Gemächern damit verbracht, ein Bad zu nehmen, sich zu rasieren
und sich anzukleiden. Inzwischen war er fast wieder der Alte, wenn man von den
dunklen Ringen unter den Augen absah. Veronica war sicher, dass ihn ein
kräftiges Essen wieder zu Kräften bringen und ihm helfen würde, die
Nachwirkungen des Laudanums zu überwinden. Während er mit Waschen und Ankleiden
beschäftigt gewesen war, hatte sie müßig die Rücken der seltenen Bücher in
seinem Arbeitszimmer betrachtet. Es war eine ungewöhnliche Sammlung mit vielen
Werken, von denen sie noch nie gehört hatte, und die man vermutlich nicht
einmal in den Karteien der British Library finden konnte. Natürlich war ihr
längst bekannt, dass Newbury sich auf okkulte und übersinnliche Phänomene
spezialisiert hatte, doch ihr war bisher nicht klar gewesen, mit welcher
Leidenschaft er seinen Neigungen nachging. Erst hatte sie ihn halb bewusstlos
in einem großen Pentagramm aus Kreide vorgefunden, und dann hatten die
esoterischen Bände in seiner Privatbibliothek über jeden Zweifel hinaus
bewiesen, dass er auf diesem Gebiet einer der führenden Experten im ganzen
Empire war.
    Sie stellte die leere Tasse auf den Untersetzer. Newbury sah sie an.
    Â»Nun erzählen Sie mir doch, wie Ihr gestriger Besuch im Palast
verlaufen ist.«
    Newbury kaute und schluckte den Bissen herunter. »Ich fürchte, es
ist so gut wie nichts herausgekommen. Allerdings konnte ich Ihrer Majestät den
Grund für ihr ungewöhnliches Interesse an diesem Fall entlocken.« Er hob die
Kaffeetasse und trank einen großen Schluck. Veronica beugte sich vor und
wartete gespannt. »Anscheinend hat man in dem Wrack unter den Toten einen
Sprössling des holländischen Königshauses gefunden, der obendrein ein Cousin
der Königin war.« Er hielt inne und wartete auf ihre Reaktion.
    Veronica runzelte die Stirn. »Die Lady Armitage war doch ein gewöhnliches Passagierschiff. Warum fährt ein Angehöriger des
Königshauses Zweiter Klasse nach Dublin?«
    Newbury lächelte. »Genau das ist die Frage. Leider bringt uns das
nicht weiter, denn wir können keinesfalls seine adligen Verwandten verhören,
und außerdem wissen wir jetzt erst recht nicht mehr, wo wir ansetzen sollen.
Schon mehrere Tage vor dem Unglück galt der Mann in London als vermisst. Ihre
Majestät hat der Mutter des Jungen versprochen, eine Erklärung zu finden, und
nun liegt es bei uns, diese Erklärung so bald wie möglich zu liefern.«
Besonders zuversichtlich schien er nicht. Er nahm das Besteck in die Hand und
machte sich wieder über das Frühstück her. Veronica schenkte sich noch eine
Tasse Earl Grey ein. Einige Minuten schwiegen sie und hingen ihren fruchtlosen
Gedanken nach.
    Veronica erschrak, als es an der Tür klopfte. Newbury blickte auf,
sagte aber nichts. Gleich darauf trat Mrs. Bradshaw ein und brachte ein
silbernes Tablett voller Briefe mit – die Post, die Veronica bei ihrer Ankunft
auf dem Tischchen im Flur bemerkt hatte. Es kam ihr so vor, als wären seitdem
mehrere Tage vergangen.
    Â»Ihre Post,

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