Affinity Bridge
»Was
denn?«
»Hast du gesehen, was aus Sir Maurice wird? In der Zukunft, meine
ich.« Veronica konnte ihr nicht in die Augen blicken.
»Nein, nichts.« Amelia zuckte mit den Achseln. »Genauer gesagt, kann
ich mich an nichts erinnern. Was ist denn passiert?«
Veronica ballte verzweifelt die Fäuste. »Versuch es bitte für mich,
Amelia. Es ist sehr wichtig. Versuche, dich zu erinnern, ob du ihn unlängst in
einer Episode gesehen hast. Egal was. Selbst wenn es nur ein kurzer Blick
war.«
Amelia verzog gequält das Gesicht. »Veronica, ich bin ihm nie
begegnet, und ich kann das nicht bewusst steuern. Es geschieht einfach, und
dann hinterlässt die Episode Rückstände in meinem Kopf, flüchtige Bilder, derer
ich mich manchmal entsinnen kann. Ich kann aber nicht die ganze Episode
willentlich heraufbeschwören.«
Veronica kämpfte mit den Tränen. »Ich weiÃ, Amelia, ich weiÃ. Es tut
mir leid.« Sie wandte sich ab und atmete tief durch, um sich zu beruhigen.
Amelia legte ihr eine Hand auf den Arm. »Nicht doch. Es ist
offensichtlich etwas Schreckliches geschehen, und ich will alles tun, was ich
nur kann, um dir zu helfen.«
»Das hast du schon getan. Ich nehme an, jetzt ist es nur noch eine
Frage der Zeit.«
»Was ist denn passiert? Nun sag schon.«
»Sir Maurice wurde heute Morgen von drei Wiedergängern angegriffen.
Sie haben ihn praktisch in Stücke gerissen, doch er konnte entkommen. Er hat um
sein nacktes Leben gekämpft, und in der Droschke war überall sein Blut, auch
auf mir, aber wir konnten ihn zum Arzt schaffen.«
Amelia hielt sich eine Hand vor den Mund. »Wird er es schaffen?«
»Das weià ich nicht«, erwiderte Veronica bedrückt. »Noch schlimmer
ist die Gefahr, die von der Seuche ausgeht. Ich fürchte, er könnte sich
angesteckt haben.«
»O Gott.«
»Deshalb bin ich zu dir gekommen, Amelia. Ich wollte unbedingt
wissen, ob du ihn in einer deiner Visionen gesehen hast und ob er wieder
gesund wird. Ich hätte nicht herkommen dürfen, das war nicht nett von mir.«
»Schwester, du hast so viel für mich getan. Ist es da nicht
angebracht, dass ich ab und zu wenigstens versuche, dir die Liebe und die Treue
zu vergelten?«
»So funktioniert das nicht, Amelia. Du bist mir nichts schuldig.«
»Ich weià ganz genau, wie das läuft, Veronica. Deshalb liebe ich
dich so.«
Viel zu spät bemerkte Veronica, dass Amelia kurz und keuchend atmete
und alle Anzeichen einer beginnenden Episode zeigte. Sie fasste ihre Schwester
an den Schultern. »Nein! Hör auf damit, Amelia! Hör sofort auf!«
Amelia schüttelte den Kopf und schnappte nach Luft.
Veronica drückte sie an sich. »Es tut mir so leid, Schwester.«
»Ich ⦠ich weiàâ¦Â« Amelia zitterte und bebte am ganzen Leib, während
sich die Muskeln verkrampften. Sie verdrehte die Augen, bis nur noch das WeiÃe
zu sehen war, und wiegte sich hin und her. Aus einem Mundwinkel rann der
Speichel.
Veronica sah sich um, ob eine Aufseherin etwas bemerkt hatte, doch
die standen alle noch vor dem Haus und unterhielten sich. Sie zog Amelia an
sich, damit ihr nichts passierte.
Amelia begann zu stammeln. Zuerst war es unverständlich, eine lange
Reihe stöhnender Laute und halb ausgesprochener Worte, doch nach und nach
erkannte Veronica, was ihre Schwester sagte.
»⦠vom Himmel ⦠wie ein Luftballon für Kinder ⦠taumelt ⦠stürzt zu
Boden ⦠Wasser ⦠Schreie ⦠Verwirrung.«
Veronica schüttelte den Kopf und versuchte, zu ihrer Schwester
durchzudringen. »Nein, Amelia, das ist schon passiert. Das Luftschiff ist
längst abgestürzt.«
»⦠Wasser ⦠tropfendes Wasser ⦠ein Uhrwerksmann.« Amelia keuchte,
schnappte nach Luft und erbebte am ganzen Körper. »Ein dunkler Ort ⦠eine
Frauenstimme ⦠Veronica!« Das Schaudern hörte auf. Amelia richtete die
blicklosen Augen auf ihre Schwester. So etwas Gespenstisches hatte Veronica
noch nie erlebt. Sie lieà Amelia los und rückte ein Stückchen von ihr ab, als
sie hinter sich im Kies Schritte hörte.
»Es spielt sich alles nur in ihren Köpfen ab, Veronica. Sag es ihm.
Du musst es ihm sagen. Es ist nur in ihren Köpfen.« Die Krämpfe setzten wieder
ein, und Veronica sah sich Hilfe suchend um. Zwei Pflegerinnen eilten herbei.
Sie hoben das
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