Affinity Bridge
Mädchen hoch und legten es neben der Bank auf die
Wiese, um es am Boden festzuhalten, weil die Krämpfe nicht abebben wollten.
Veronica beugte sich über sie und wollte hören, ob Amelia noch etwas
zu sagen hatte. Gleichzeitig machte sie sich Vorwürfe, weil ihre Schwester
ihretwegen diese Qualen auf sich genommen und doch keine Antwort gefunden
hatte. Tatsächlich kam nichts weiter heraus. Amelias Episode klang ab, das
Zucken lieà nach, und sie sprach kein Wort mehr. Dankbar, dass ihrer Schwester
wenigstens nichts passiert war, setzte Veronica sich wieder auf die Bank.
Amelias Atem ging flach, sie wirkte benommen und schien nicht zu
wissen, wo sie sich befand und wie sie dorthin gekommen war. Sie blickte zu
Veronica, doch die Wärterinnen wollten sie noch nicht freigeben.
»Veronica?«
»Ja, ich bin hier, Amelia. Geht es dir gut?«
Amelia blinzelte und betrachtete die beiden Helferinnen, die sie im
Gras festhielten und auf die Ankunft des Arztes warteten. »Alles in Ordnung.«
Sie heftete den Blick auf Veronica. »Hast du gehört, was du erfahren
wolltest?«, fragte sie und suchte die Anerkennung ihrer Schwester.
Dr. Mason kam mit gerötetem Gesicht im Laufschritt. Er machte ein
finsteres Gesicht, als er Veronica auf der Bank sitzen sah. »Hallo, Amelia.
Ich glaube, es ist Zeit, dass wir Sie nach drinnen bringen.« Er wandte sich an
Veronica. »Ihre Schwester wird sich jetzt von uns verabschieden.«
Veronica nickte und sprang auf, als die Pflegerinnen Amelia beim
Aufstehen halfen. »Ich liebe dich, Schwester.« Sie ging zu ihr und küsste sie
auf die Wange. »Machâs gut.«
»Ich werde es versuchen.«
Veronica drehte sich um und entfernte sich. Sie musste mit einer
Hand den Hut festhalten, damit der kräftige Wind ihn nicht wegwehte.
22
Am nächsten Morgen stand Newbury früh auf. Die Zuwendungen
des Knochenflickers am vergangenen Tag spürte er immer noch am ganzen Leib. Er
ging direkt ins Bad und wusch seine Wunden, danach legte er die dicke gelbe
Salbe auf. Die Paste roch ein wenig nach Bienenwachs, doch er hatte keine
Ahnung, was sie wirklich enthielt. Er fühlte sich kräftig und voll ungeduldigem
Tatendrang, was teils wohl darauf zurückzuführen war, dass er viel zu lange im
Bett gelegen hatte, und teilweise sicher auch, wie er vermutete, auf Dr.
Fabians Wundermittel. Die Wunden verheilten bereits, doch es würde noch eine
ganze Weile dauern, bis er sich völlig erholt hatte.
Newbury hatte den Rest des vergangenen Tages in seinem Arbeitszimmer
verbracht, war im Raum hin und her geschritten, hatte seine Pfeife geraucht und
sich sehr bemüht, dem Verlangen nach dem Laudanum nicht nachzugeben, das
verlockend in der kleinen braunen Flasche im Bücherregal stand und ihm Wärme,
Vergessen und Abgeschiedenheit verhieÃ. Er hatte einige Papiere aus seiner Zeit
in Indien durchgesehen und Hinweise auf die Seuche der Wiedergänger gesucht.
Eine Weile war er in den Erinnerungen gefangen. Mrs. Bradshaw hatte ihm zum
Abendessen ein üppiges Roastbeef serviert, das er im Esszimmer verspeist hatte.
Es war das erste Mal seit Monaten gewesen, dass er sich in seinem eigenen Haus
hingesetzt und eine richtige Mahlzeit eingenommen hatte.
Am Morgen hatte sich jedoch der Eindruck verstärkt, dass es nicht
mehr lange so weitergehen konnte. Er war besorgt, die Langeweile könnte ihn am
Ende doch noch zum gefürchteten Opium treiben, dem zu widerstehen ihn so viel
Kraft kostete. So beschloss er, ins Büro zu fahren, ein wenig Korrespondenz zu
erledigen und sich zu erkundigen, wie es Miss Coulthard ging. AuÃerdem konnte
er an seinem längst überfälligen wissenschaftlichen Aufsatz schreiben.
Insgeheim hoffte er natürlich, dass er Miss Hobbes antreffen würde,
die ihm Neuigkeiten über den Fall berichten würde, und dann konnten sie
gemeinsam den ganzen Tag lang alles erörtern und ihre Gedanken ordnen, während
er sich erholte und entschied, was als Nächstes zu tun sei. Ob verletzt oder
nicht, Ihre Majestät würde nicht erbaut sein, wenn er noch einmal einen ganzen
Tag mit sinnlosen Gängen verschwendete, während er einen Fall zu lösen hatte.
Es war noch früh, und Mrs. Bradshaw war noch nicht aufgestanden und
hatte das Frühstück noch nicht zubereitet. Deshalb machte Newbury sich selbst
eine Kanne Earl Grey und trieb ein paar Stücke Toastbrot auf, die er mit
Marmelade
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