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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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Sparks schon länger?“
    „Genauso lang wie Kamensiek. Wieso?“
    „Man hält scheinbar große Stücke auf Sie.“
    „Scheinbar?“
    „Nun, als man mir den Trip nach Srebrenica anbot, war dem kurzen Wortwechsel zwischen beiden zu entnehmen, dass es sich wohl um eine Einladung handelt, die ausschließlich an Vertrauenspersonen geht, deren Loyalität man sich versichert hat.“
„Wie nett“, sagte sie. „Warum eigentlich?“
    „Weshalb schon? Es wird damit zusammenhängen, was man von uns will.“
„Und was ist das?“ Zudeck-Perron wiegte den Kopf und grinste vielsagend. „Wie gesagt: Nichts Genaues weiß man nicht.“
    Anica verabschiedete sich, als der Fotograf zwei neue Drinks bestellen wollte. Er hatte bereits ziemlich viel getrunken und klopfte ihr jovial auf die Schulterblätter. „Was meinen Sie?“ fragte er wie nebenbei, „wo bringt die kleine Bosnierin die Hubschrauberpilotin hin?“
    Anica hob die Achseln. „Interessiert Sie das wirklich?“
    „Glauben Sie mir“, versicherte Zudeck-Perron, „ich würde die schöne Brena zu gerne wiedersehen. Aber ob und wann das sein könnte...“
    „Und so lange trösten Sie sich mit...“
    „Papperlapapp“, unterbrach er sie schroff. „Wie ist das denn bei Ihnen und Ihrem Süßen? Sie haben mir zudem noch gar nichts von Ihrem kleinen Ausflug ins Kloster erzählt, Anica!“
    „Das nächste Mal, Zudeck-Perron. Ich bin müde.“
    „Sie waren drüben“, hetzte Zudeck-Perron, schon ein wenig lallend. „In diesem Schrottstaat, diesem gottverfluch...“
    „Sie sollten sich flach legen, Kollege.“
    „Also gut, dann schlafen Sie sich aus, Anica. Morgen wird man alle Kräfte brauchen. Also dann – beim ersten Büchsenlicht in Vojkovic!“

37 Bei Burkhard
     
    Vor ihrer Rückkehr ins Stari Grad fuhr Anica rasch zu Burkhart. Unterwegs schalt sie sich einen Grützkopf, es Zudeck-Perron abermals nicht gehörig gegeben zu haben. Männer! dachte sie. Männer wollen geführt werden, wie Stiere, mit dem Ring durch die Nase, und dann sah sie Mary-Jos Mann mit dem Schmuckring im linken Ohr und reichte ihm kommentarlos die Vergrößerung. Er starrte auf das Bild, begriff nicht. Seine Augen waren gerötet, er sah schlampig, übernächtigt aus.
    „Du hast sie gesehen?“ Seine Augen hingen an Anicas Mund.
    „Und mit ihr gesprochen. Wie du siehst, lebt sie. Ich habe sie filmen dürfen. Das ist die Vergrößerung eines Standbildes.“
    „Ich will die Kassette sehen, Anica!“
    „Später. Das Tape ist im Studio.“
    Burkhart betrachtete das Bild ungläubig. „Was werden sie mit ihr machen?“
    „Ich habe den Eindruck, es wird ihr bestimmt nicht schlecht gehen.“
    „Weißt du jetzt, wann du nach Srebrenica gehst, Anica?“
    „Ich bekomme Bescheid. Die Genehmigung habe ich in der Tasche.“
„Vergiss nicht, vorher bei mir vorbeizukommen. Du hast es versprochen, Anica!“
    „Wenn ich etwas für dich tun kann, gerne. Alles, was in meiner Macht steht.“
    „Du musst es zumindest versuchen.“
    „Um was geht es denn, Burk?“
    Er zögerte ein paar Sekunden. „Ich kann es dir genauso gut jetzt schon sagen. Erinnerst du dich an meinen kleinen Bruder?“
„An den Lausejungen, der dich besucht hat, während du bei mir in Berlin warst?“
    „Ein Lausejunge, ja. Das ist er geblieben. Aber ein zwanzigjähriger.“
„Himmel“, sagte Anica, „wie die Zeit vergeht!“
    „Nicht nur die Zeit, Anica. Bei manchen Menschen vergeht auch der Verstand. In kurzer Zeit. Zum Beispiel der von meinem Brüderchen.“
„Inwiefern, Burk?“
    „Er ist bei der Bundeswehr, Anica.“
    „Das ist der normale Gang der Dinge bei jungen Männern.“
    „Ist es normal, wenn man freiwillig in den Krieg zieht?“
    „In welchen Krieg? Ist er etwa in Somalia dabei?“
    „Hier ist er, verdammt noch mal, hier!“ rief Burkhart erregt. „Er muss nach Hause. Jetzt, wo Mary-Jo...“
    „Beruhige dich, bitte“, mahnte Anica sanft. Sie dachte an das Gespräch mit dem russischen Offizier. „Also, was ist mit ihm, Burk?“
„Da musst du diese Kamensieks fragen“, antwortete er. „Ich weiß nur, dass mein kleiner Bruder seit ein paar Wochen mit seiner Einheit für die UN-Schutzzonen der überrannten Enklaven im Nordosten zuständig ist. Sparks hat ihn mal sprechen können. Er sagt, mein Brüderchen wäre ein good boy...“ Unvermittelt schüttelte ihn ein Weinkrampf. „Er hätte das Zeug zum Helden, hat Sparks gesagt...“
    Anica ließ einen untröstlichen Menschen zurück.

38 Mummenschanz

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