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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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zurückzukehren, war stets mühselig und führte meist in ein fremdgewordenes Land. Der UN-Oberleutnant störte Anica aus ihren Überlegungen auf. „Wegen der Kaninchen“, erklärte er, „gibt es hier so viele Krähen. Kommen Sie!“

41 Aufbruch in den Karstkrieg
     
    Aus einem Helikopter-Megaphon ertönte schon die plärrende Stimme des Staffelkapitäns. „Fertigmachen! Turbinen anlassen!“
Sekunden später setzten sich unter dem alles übertönenden Röhren der Turbinen die Rotorblätter langsam in Bewegung.
„Auf geht´s, Ma´am“, rief der Oberleutnant. „Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich bin ja dabei.“ Sie kletterten in die Maschinen, in der bereits zehn Soldaten hockten. Es waren alles US-Amerikaner, sehr junge Männer, mit frisch rasierten Gesichtern, überwiegend dunkelhäutig, alle gummikauend, träge im Gespräch miteinander. Ihre Uniformen waren hellbeige gefärbt, wie der Fels in der Gegend um Zepa, außerdem blitzsauber gewaschen und tadellos gebügelt. Die Soldaten hatten sich die gebräunte oder dunkelbraune Gesichtshaut hell angemalt und sahen aus wie waschechte Aborigines auf dem Kriegspfad, auf dem sie sich ja auch befanden, und ihre Bewaffnung bestand aus Automatgewehren, an denen eine hauchdünne Ölschicht glänzte; zwei Mann führten Fotoapparate in Plastiktaschen mit sich. Der Oberleutnant vervollständigte noch sein martialisches Outfit durch die helle Kriegsbemalung, wobei er einen an der Bordwand baumelnden Badespiegel benutzte, während einer der Männer sich in sein Taschentuch erbrach, da der Hubschrauber kippelig von der Piste aufschaukelte. Zwei seiner Kameraden schoben sich geschickt vor ihn, damit der Vorgesetzte die Szene nicht sehen konnte. Die Soldaten stierten auf ihre Füße, schienen vor sich hin zu sprechen, doch mahlten nur ihre Kiefer auf den Kaugummis, unmerklich waren die Unterhaltungen verstummt. Die Turbinen versetzten die Libelle röhrend in quälende Vibrationen, gleichzeitig wurde es kühl in der Kabine. Der Oberleutnant wickelte ein Schokoladenbonbon aus der Stanniolhülle und bot Anica ein weiteres an.
    „Haben Sie eine Waffe bei sich?“ fragte der junge Offizier.
    Die Journalistin hielt die Nase zu und presste Luft hinein. Gleichzeitig schüttelte sie den Kopf, um einmal das Angebot des Oberleutnants dankend abzulehnen und zum zweiten auf ihre Kamera zu verweisen. „In meinem Beruf schießt man damit“, näselte sie. „Mit nichts sonst.“
    Der Amerikaner runzelte die nicht hohe Stirn. „Die Serben werden das Ding für eine neuartige Waffe halten und auf Sie schießen, Ma´am. Einer meiner Männer erhielt von mir den Auftrag, sich ausschließlich darum zu kümmern, dass Sie ungefährdet arbeiten können.“
    Der Soldat neben ihm mit dem Sprechfunkgerät unterbrach die Unterhaltung der beiden, indem er dem Oberleutnant eine Muschel des Kopfhörers ans Ohr und die Empfangstaste gedrückt hielt. Der Offizier lauschte, verzog das Gesicht und kaute weiter auf dem Bonbon herum. „In Ordnung“, sagte er nach einer Weile, „ist ja okay, Mann!“ Der Funker stülpte sich stirnrunzelnd den Kopfhörer über. Zu Anica gewandt sagte der Oberleutnant: „Fängt ja hübsch an! Die Jagdbomber sind fertig. Aber die Kommandeursmaschine hat sich einen Treffer eingefangen. Unser Alter wird ein Bein verlieren. Wird gerade operiert.“
Der junge Oberleutnant, der einem großen Jungen glich, machte auf die Reporterin einen ehrgeizigen Eindruck. Freilich war im Krieg Ehrgeiz, wenn er mit Klugheit und Gewissen verbunden war, nichts Schlechtes, dachte sie. Schlecht war nur, wenn diese beiden Eigenschaften fehlten.
    Die Journalistin sah hinunter auf die lila-fliederfarbene Dunkelheit der Gebirgsflanken und die grelle Schnelligkeit des hellen Wassers der Drina. Gerade waren sie noch im Tiefflug über etwas Laubwald, ein wenig braunen, trächtigen Boden, jenem Mosaik aus graugrüner Erde mit resedafarbenen Blütentupfern, geflogen, als sie unvermittelt, befremdend, wie durch ein Tor jäh eintretend, die große steinerne Starre erreichten, die urgewaltig-streng, feindselig und zauberhaft sich jedem menschlichen Zugriff zu entziehen schien. Eine Minute später befanden sie sich über dem bombardierten Zielgebiet, inmitten der dürren Härte des Karsts mit gelb schimmernden Flecken darauf. Stellenweise brannten noch Büsche, und es gab Flächen, auf denen sich gestürzte Nadelholzstämme übereinander türmten, doch ansonsten nahmen sich die Spuren des Bombardements

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