Afrika, Meine Passion
Ich frage, was es denn sonst sei. »Es ist ein Vogel, aber kein Tier«, beharrt er hartnäckig. Wir lachen Tränen. »Schlangen sind keine Tiere, es sind Reptilien. Krokodile, obwohl vierbeinig, sind Fische, da sie im Wasser leben. Ja, und Fische sind sowieso keine Tiere«, beendet er die Diskussion energisch. Ein letztes Mal zeichne ich ihm auf, dass der Überbegriff trotzdem Tier ist, was er einfach nicht glauben will. Die Lust am Spiel ist ihm für heute vergangen.
Ein anderes Mal spielen wir Boccia. Jeder sucht sich drei ähnliche Steine. Ich weiße, er dunkle. Ein kleiner Stein wird geworfen, und wer seine Steine nun am nächsten platzieren kann, hat gewonnen. Am Anfang gefällt es ihm gut. Als ich aber gelegentlich gewinne, verliert er das Interesse, zumal von überall her Himba-Kinder auftauchen und uns zuschauen. Doch lustig sind solche Zeitvertreibe allemal.
Nach dem erholsamen Aufenthalt im Camp ziehen wir weiter über Orupembe in Richtung Purros. Viele Kilometer marschieren wir nun im trockenen, aber sehr breiten Fluss Khumib. Zum Glück gibt es häufig Reifenspuren, in denen es sich einigermaßen angenehm gehen lässt, da der Sand festgefahren ist. Über meine Wanderstöcke bin ich umso glücklicher, je länger wir unterwegs sind, denn sie sind äußerst hilfreich. Auch hier starte ich täglich alleine und genieße die roten Sonnenaufgänge. Im Flussbett sehe ich immer mehr Tierspuren, vor allem von Giraffen. Der Tourguide hat mich informiert, dass die Kamele Angst vor diesen hochgewachsenen Tieren haben. Es sei ihm schon passiert, dass sie samt Gepäck geflüchtet sind. Sie wieder einzufangen, sei ziemlich mühselig und anstrengend gewesen. Meine Sinne sind geschärft. Meine Ohren achten auf jedes Geräusch, meine Augen sind offen und meine Nase riecht sowieso alles. Morgens liegt im Flussbett oft ein Geruch nach Wild. Ich fotografiere den ausgetrockneten Boden, der aufgesprungen ist und wie aneinandergereihte Tonscherben aussieht. Erstaunlicherweise entdeckt man immer wieder ein Blümchen, das einem trotz Trockenheit kräftig gelb oder rosa entgegenleuchtet. Am Ufer sehe ich eine verlassene Manyatta, rund und mit Kuhdung verputzt, genau wie die meiner afrikanischen Schwiegermama. Aber außer zwei Wildeseln, die sich offensichtlich bespringen wollen, ist nichts Lebendiges in Sicht.
Die Giraffenspuren haben nicht zu viel versprochen. Gerade haben wir das Flussbett verlassen, um wieder etwas entspannter auf der roten Sandpiste zu laufen, als keine hundert Meter von uns entfernt eine vierköpfige Giraffenherde zu uns herüberschaut. Sofort werden die Kamele so gezogen, dass sie in eine andere Richtung schauen, und wir gehen möglichst schnell weiter. Immer öfter begegnen wir nun auch Zebras, Gazellenherden und vorbeiziehenden Oryx-Antilopen.
A m nächsten Rastplatz geschieht etwas Unheimliches. Wir sitzen in der Abendsonne und warten auf das Dunkelwerden. Die Grillen zirpen unaufhörlich und die Vögel zwitschern ihr Abendkonzert. Der Mond steigt schon hinter dem leuchtenden Berg hervor, während sich auf der anderen Seite die Sonne bald verabschieden wird. Mit einem Mal ist es mucksmäuschenstill. Kein Vogel, keine Grille ist mehr zu hören. Irgendwie hat sich die Atmosphäre verändert. In mir kriecht ein seltsames Gefühl hoch und ich schaue mich um. Der Tourguide lacht. Plötzlich vibriert die Luft und die Erde bebt für ein paar Sekunden. Mitten in der Wüste ein Erdbeben zu erleben, ist unheimlich. Es dauert eine ganze Weile, bis sich die Tiere wieder regen. Nachts liege ich noch lange wach und hoffe, dass sich das Beben nicht wiederholt.
W ir sind nicht mehr allzu weit von Purros entfernt und der Atlantik ist ganz nah. Gerade mal fünfzig Kilometer Wüste und eine kleinere Bergkette trennen uns von der Küste. Es ist bereits merklich kühler, und vor allem nachts wird es richtig kalt und feucht. Eines Morgens empfängt uns sogar Nebel. In Anbetracht der schlechten Sichtverhältnisse möchte ich heute nicht allein losgehen, doch der Tourguide meint, es könne nichts schiefgehen. Ich müsse nur den Fahrspuren im Fluss folgen, und wenn diese das Flussbett verlassen, solle ich ebenfalls auf die Straße wechseln, die parallel zum Fluss verläuft. Da es kein Problem zu sein scheint, mache ich mich schon mal auf den Weg, zumal wir noch fast 15 Kilometer im Sand marschieren werden, wo ich nicht so schnell vorwärtskomme. Außerdem friere ich, wenn ich bei dieser Kälte herumstehen muss, bis die
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