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Afrika Saga 02 - Feuerwind

Afrika Saga 02 - Feuerwind

Titel: Afrika Saga 02 - Feuerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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fütterte ihn mit Grillen, die sie geschickt aus dem kärglich sprießenden Gras fing. Es war nicht die Schuld des kleinen Löwen gewesen, sondern ihre eigene.
    Sie kehrte nicht wieder ins Haus zurück, um die restlichen Seiten zu retten, sondern rannte hinunter zum Strand und lief mit wehenden Röcken in den auslaufenden Wellen so lange nach Süden, bis der Lobster Pott hinter ihr im Dunst versank. Es war Ebbe, und das Riff lag frei. Sie raffte ihre Röcke, watete über seepockenverkrustete Steine und durch flache Felsenteiche, bis ihr Felsen vor ihr aufragte.
    Schlafwandlerisch sicher fanden ihre Füße Halt in Mulden, die sie schon viele Male vorher benutzt hatte, und mit wenigen Schritten war sie oben, klemmte ihre wehenden Röcke unter ihren Knien fest und setzte sich auf den gewaltigen Sandstein. Er war fast körperwarm, hatte die Hitze des Tages noch gespeichert. Das Tosen der Brandung umfing sie, es roch nach Seetang und Meer. Die Sonne versank Funken sprühend hinter den Hügeln, und letzte Lichtpunkte tanzten auf dem stillen, glasklaren Felsenteich unter ihr. Die Fische waren bereits im Schatten auf den Grund gesunken und schliefen mit offenen Augen. Der Wind hatte aufgefrischt, trieb einen Schleier von Feuchtigkeit über den Strand. Er legte sich auf ihr Gesicht und vermischte sich mit ihren Tränen.
    Mutlosigkeit lastete wie ein schwerer Mantel auf ihren Schultern.
    Es war nur ein Buch, nur eine Kopie, die es hundertfach zu kaufen gab — wenn auch nicht in Natal doch für sie war es eine weitere Niederlage. Afrika lachte sich wieder einmal ins Fäustchen. Sie leckte sich die Salzkruste von den Lippen, starrte hinaus in die dunstige Weite des Ozeans und wartete, dass der Zauber wirkte.
    Aus der Unendlichkeit marschierte als kaum wahrnehmbare Wölbung eine riesige Woge unter der Meeresoberfläche heran, türmte sich an der Barriere des Riffs zu einer gläsern grünen Wand auf, wurde höher und höher, eine sahnig weiße Schaumkrone bildete sich, und schließlich brach sie, und der Wasserberg warf sich donnernd auf die Felsen. Er rüttelte gierig an allem, was darauf lebte, bis das Meer mit tiefem Tosen einatmete, die Welle zurücklief und dabei Ströme von Sand mit sich saugte. Im ablaufenden Wasser öffneten sich die Seeanemonen auf den Felsen, stießen winzige Wasserfontänen aus, ein knisternder Laut erfüllte die Luft, als wisperten die Felsen untereinander, erzählten sich Geschichten aus der Zeit, als sie noch nicht zu Stein geworden waren, sondern als Millionen Sandkörner durch die Meere wanderten. Hoch über ihr schwebten die Schreie der Seeschwalben.
    Und der Zauber wirkte wie schon unzählige Male vorher. Ärger und Spannung lösten sich allmählich, tröpfelten aus ihr heraus wie Wasser aus einem Gefäß. Unter ihr brach sich die nächste Welle an ihrem Felsen, der Wasserschwall ließ den Teich überfließen. Die Flut drückte herein. Es war Zeit, nach Hause zu gehen. Der Dunst der Ferne hatte sich verdichtet, die Nacht zog als dunkelblauer Samtvorhang über den Himmel, lediglich der Widerschein des versinkenden Tags zeigte ihr den Weg. Bald würde nur flimmerndes Sternenlicht sie leiten. Aber ganz dunkel wurde es am Meer nur selten, denn die unendliche Fläche des Ozeans fing jeden noch so schwachen Lichtstrahl ein, bündelte ihn, sodass das Meer selbst zu leuchten schien.
    Gedankenverloren wanderte sie am Wellensaum zurück. Durch eine derartige Lappalie würde sie sich nicht unterkriegen lassen, denn eine ihrer herausragendsten Eigenschaften war die Sturheit, wie sich Johann so häufig beklagte. Stur wie ein schlecht gelauntes Maultier, sagte er. Mit einem eleganten Satz sprang sie einer Welle aus dem Weg, die den Strand weit hoch leckte. Nun, sei's drum, dachte sie.
    Irgendwo werde ich sicher eine weitere Kopie des Buchs finden.
    Sie hob einen flachen, glänzend schwarzen Stein auf und ließ ihn über die Wellen hüpfen. Bei jedem Aufschlag spritzte das Wasser, und tausend Sterne funkelten in den Tropfen. Sie löste ihr Haar aus dem Knoten und schüttelte es frei, der Wind blies es ihr aus dem Gesicht und fuhr ihr unter die Röcke. Der schwere Mantel, der sie niedergedrückt hatte, flog davon.
    Gelöst breitete sie die Arme aus und wirbelte mit ein paar Tanzschritten über den Sand. Gegen den hellen Sternenhimmel sah sie die Silhouette eines hoch gewachsenen Mannes vom Norden her auf sich zukommen. Überall auf der Welt hätte sie Johann an seinem Gang erkannt. Sie rannte

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