Afrika Saga 02 - Feuerwind
Gewehrschuss.
»Inqaba«, wiederholte Johann, und es klang wie ein Gebet. Er schnalzte und trieb Umbani an. Eilig trabte er am Flussufer entlang auf der Suche nach einer Furt, fand einen Baumstamm, der aber schräg im Wasser lag und nirgendwohin außer in die tiefsten Strudel führte, sah an den Spuren, dass er ursprünglich quer zum Flusslauf gelegen und beide Ufer verbunden hatte, aber das nützte ihm jetzt nichts.
Außer einem Adler, der über ihm seine ruhigen Kreise zog, traf er auf kein Tier, was ihm sehr recht war. Ihr Abendessen, fünf Tauben für ihn und ein paar fette Ratten für die Zulus, hingen auf einem Stock über Zikos Schultern, und jede andere Begegnung bedeutete nur Zeitverlust.
»Hoffentlich hast du Recht«, flüsterte er inbrünstig. »Hoffentlich.«
Ein tiefer Ton, ein heiseres Röhren, schwebte über das Grasmeer, schien sich in der Erde und in seinem Körper fortzusetzen. Er merkte auf. Löwengebrüll, aber aus großer Entfernung. Prüfend suchte er die Landschaft ab, wusste jedoch, dass er ihn nicht entdecken würde.
Mangaliso neben ihm war in der Bewegung erstarrt, stand da wie aus Stein gehauen, einen Fuß vorgesetzt, den Hals vorgestreckt. Er erinnerte Johann an einen Vorstehhund, der die Beute markierte.
»Zu weit«, sagte er und meinte den Löwen.
Der kleine Schwarze antwortete nicht, nur ein Lächeln huschte über sein honiggoldenes Gesicht, und er zwitscherte ein paar leise Worte, die Johann nicht verstand. Er kümmerte sich nicht weiter darum.
Die Sonne versank schnell hinter den Bäumen, das rosa Licht verlosch, die Schatten wurden blau. Johann schob seinen Hut in den Nacken. Es hatte keinen Zweck. In der Dunkelheit einer mondlosen Nacht, nur im schwachen Licht der Sterne, einen angeschwollenen Fluss wie den Umfolozi ohne Boot zu überqueren, war bodenloser Leichtsinn. »Wir müssen die Nacht über hier kampieren«, sagte er, was Mangaliso mit einem stummen Nicken beantwortete.
Ziko hockte sich wortlos hin und begann, die Tauben zu rupfen.
Die Sonnenstrahlen waren die Wand hochgewandert, über die Dachsparren, hatten das Ried gestreift und waren verschwunden. Das Zimmer lag im Dämmerlicht. Der Tag neigte sich dem Abend zu.
Catherine hob ihr Gesicht zu dem zerfransten Himmelsausschnitt über ihr. Sein strahlendes Blau hatte sich mit Lila und Orange gemischt. In kürzester Zeit würde sie nichts mehr sehen können, sie war noch drei Schritte von dem Tisch entfernt, und der Löwe hatte sie noch keine Sekunde aus den Augen gelassen. Einmal hatte er gegähnt, war aufgestanden, hatte ihr Todesangst eingejagt, als er einen Schritt ins Zimmer tat, schien dann aber unschlüssig, was er tun sollte, und hatte sich wieder hingelegt.
Der funkelnde Sternenhimmelsausschnitt im Dach verbreitete ein gespenstisches, schwaches Licht, sodass sie Gegenstände nur als schwärzere Schatten wahrnahm und die Raubkatze als verwischten hellen Fleck. Die Python sah sie gar nicht, obwohl sie sicher war, dass die sich in ihrer Nähe befand. Sie meinte, ihren dumpfen Geruch wahrzunehmen.
Schon seit Stunden stand sie der Raubkatze gegenüber, und mehr als eineinhalb Stunden hatte sie nicht mehr riskiert, sich zu bewegen, allenfalls gewagt, ihren Blick hierhin und dorthin zu rollen. Ihr Rücken schmerzte höllisch, das Blut sackte ihr immer wieder in die Beine, und schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen, dass sie befürchtete, jeden Moment das Bewusstsein verlieren zu können und dem Raubtier direkt vor die Fänge zu fallen. Immer wieder zuckte sie mit den Wadenmuskeln, spannte die Bauchdecke und Oberschenkel an, bis sich die schwarzen Flecken auflösten. In den wenigen Augenblicken, in denen sie ihre Angst einigermaßen in Schach halten konnte, wunderte sie sich, dass der Löwe bisher nicht das geringste Zeichen von Angriffslust gezeigt hatte.
Die Geschichten, die ihr Stefan über seine Löwen, wie er sie nannte, erzählt hatte, fielen ihr ein. Du musst mit ihnen reden, hatte er gesagt. Damals hatte sie laut gelacht und geglaubt, dass er sie veräppeln wollte, aber er hatte todernst darauf bestanden, dass er mitten im Busch mit wilden Löwen redete.
Mit ihnen reden? Was erzählte man einem Löwen?
»Ist ja gut«, murmelte sie. »Ich tu dir ja nichts, steh einfach auf und geh weg, braves Kätzchen …« Sie kam sich zu lächerlich vor, und außerdem hatten ihre leisen Worte den einzigen Effekt, dass das mächtige Tier seinen Kopf hob und tief in der Kehle einen grollenden Laut hervorbrachte. Sie
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