Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
Vom Netzwerk:
wenn eine Schülerin in die Unruhe verwickelt würde, könnte man das für die Propaganda nutzen. Der Plan stammt von einer Abteilung, die mit aller Macht etwas gegen die antikommunistische Stimmung in Amerika unternehmen wollte. Sie wollten Jesse Austin wieder zu einer Karriere verhelfen. Er sollte wieder berühmt werden.
    Leo lief im Zimmer auf und ab.
    – Ich wusste die ganze Zeit, dass ihr irgendwas versuchen würdet. Ihr konntet nicht einfach ein Konzert organisieren. Ihr musstet noch eins draufsetzen. Ihr musstet mehr tun.
    – Es war ein schlecht durchdachter Plan, der schrecklich fehlgeschlagen ist.
    – Lass mich nach New York fahren, um die Sache zu untersuchen.
    – Leo, mein Freund, hör mir zu: Das ist unmöglich.
    – Ich muss herausfinden, wer meine Frau ermordet hat. Ich muss die Schuldigen finden und töten.
    – Leo, sie werden dir nie im Leben erlauben, nach Amerika zu fahren. Das wird nicht passieren. Du kannst nichts tun.
    Leo schüttelte den Kopf.
    – Was bleibt mir denn? Das ist das Einzige, was ich noch tun kann! Ich verspreche, ich werde ihren Mörder finden. Ich finde den Schuldigen. Ich werde sie alle finden.

Am selben Tag
    Leo wusste nicht genau, wie lange er auf dem Dach des Wohnblocks gesessen hatte – sicherlich einige Stunden. Nachdem Panin gegangen war, hatten er und die Mädchen das Zimmer wieder hergerichtet, wie es sein sollte, wie ein Zuhause, mit den beiden Betten nebeneinander. Leo hatte begonnen, das Abendessen vorzubereiten, dann aber plötzlich aufgehört und die rohen Zutaten stehen lassen. Ihm fiel nur ein Ort ein, an den er gehen konnte – das Dach.
    Teenager kamen manchmal hierher, um zu küssen und rumzumachen, wenn sie nichts anderes fanden. Heute Abend, im strömenden Regen, war es hier oben leer. Leo spürte die Kälte nicht, obwohl seine Kleider durchnässt wären. Er konnte über die Stadt blicken, auf die nächtlichen Lichter Moskaus, die im Regen verschwommen wirkten. Er stand auf, ging an den Rand des Daches und blickte nach unten. Lange Minuten blieb er dort stehen und versuchte einen Grund zu finden, vom Rand zurückzuweichen. Er dachte an sein Versprechen. Dann trat er zurück, wandte der Stadt den Rücken zu und ging hinunter in eine Wohnung, die er einmal als sein Zuhause betrachtet hatte.

Acht
Jahre
später

Sowjetisch-finnische Grenze
Sowjetischer Grenzposten
760 Kilometer nordwestlich von Moskau
240 Kilometer nordöstlich von Helsinki
Neujahrstag 1973
    Der Rucksack gehörte einem Mann, der angeschossen wurde, als er die Grenze nach Finnland überqueren wollte. Obwohl ein strenger Winter herrschte und der Schnee hüfthoch in den Wäldern lag, hatte der Mann die gefährliche Grenzüberquerung versucht, vielleicht in der Hoffnung, bei diesem Wetter und der nahezu beständigen Dunkelheit könnte er einfacher unentdeckt bleiben. Jedes Eindringen in dieses scharf kontrollierte Gebiet, ob aus Zufall oder Absicht, galt als Versuch, in den Westen überzulaufen, als Landesverrat. Die Soldaten, von denen viele auf Skiern patrouillierten, hatten die Anweisung, gezielt zu schießen. Es würde weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen, wenn es einem Verräter gelingen sollte, zu entwischen und im Ausland Asyl zu beantragen, um den Feinden geheime Informationen über die Sowjetunion zu liefern. Für Eli Romm, der für dieses Gebiet zuständig war, hieß das, dass man ihn vor ein Strafgericht zitieren und ihm vorwerfen würde, er hätte seine Pflicht vernachlässigt oder, noch schlimmer, bewusst einen Sabotageakt gestattet. Er würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine Arbeit und vielleicht sogar seine Freiheit verlieren.
    Eli untersuchte den Inhalt des Rucksacks, den der Mann bei sich trug. Er enthielt Vorräte: Wasser, Brot und gepökeltes Fleisch. Dazu dunkle Kleidung zum Wechseln, eine dicke Wolldecke, mehrere Schachteln Streichhölzer, Verbandszeug, ein scharfes Jagdmesser und eine Blechtasse – klassische Utensilien für draußen und eher uninteressant. Eli drehte den Rucksack um, mit der Öffnung nach unten. Es fiel nichts weiter heraus. Er tastete das Futter ab und fuhr mit dem Finger über die Nähte, weil er sicher war, dass der Rucksack noch weitere Beweise enthielt. Er hatte recht. Eine Stelle im Stoff war dicker, dort war eine Tasche versteckt. Er durchtrennte den Stoff, riss den Flicken ab und entdeckte darunter mehrere flache Goldmünzen, eingewickelt in Plastik. Sie sollten fraglos als Zahlungsmittel dienen, wenn der

Weitere Kostenlose Bücher