Agenten kennen kein Pardon
bist«, sagte er leise.
»Ich liebe dich doch, Ralf.«
»Und die Russen?« Er sah sie plötzlich ängstlich an. »Wenn sie uns hier finden?«
»Sie werden uns nicht finden.« Mabel biß die Zähne aufeinander. Ich darf es ihm noch nicht sagen. Wenn er es weiß, wird er unruhig und springt vielleicht auf. Er muß ganz ruhig bleiben, ganz ruhig … »Ich glaube, Zanewskij und Gregoronow sind weit weg«, meinte sie doppelsinnig.
»Hoffentlich haben wir unsere Spur gut verwischt.« Dr. Bouth trank in langen Schlucken die heißgemachte Vogelbouillon. Er kam nicht auf den Gedanken, zu fragen, woher sie sie habe … er wußte nicht, wie lange er im Fieber gelegen hatte, er dachte an ibn Menras Rucksack und trank zufrieden.
»Das tut gut«, sagte er aufatmend und ließ sich ins Stroh zurücksinken. »Wenn es geht, ziehen wir morgen weiter, Mabel.«
»Du bist noch zu schwach, Ralf. Laß uns noch einen Tag warten.«
Dr. Bouth sah in die Flammen des offenen Feuers in der Ecke.
»Wir müssen zurück nach Los Alamos. Man wird nicht wissen, wie man sich verhalten soll. Dein Vater wird völlig zusammengebrochen sein.« Er blickte zu Mabel hin. »Vielleicht hat man das Auto mit Heinz Behrenz gefunden? Das wäre eine Hoffnung. Man wird uns hier suchen.«
Soll ich ihm sagen, daß in acht Tagen keiner gekommen ist? Daß wir hier mitten in Amerika doch am Ende der Welt leben? Oder am Anfang? Sie schüttelte den Kopf. Dr. Bouth lächelte.
»Warum schüttelst du den Kopf, Mabel?«
Sie schrak empor. »Ach. Nichts, Ralf. Habe ich mit dem Kopf geschüttelt?«
»Ja.«
»Es war aber bestimmt nichts.« Sie setzte sich zu ihm und nahm seine Hände. »Du sollst doch nicht soviel sprechen. Du sollst ganz ruhig liegen.«
Dr. Bouth lag eine Weile ruhig und schaute Mabel unverwandt an. Sie sieht schlecht aus, dachte er. Das Gesicht ist so eingefallen und schmal geworden. Tiefe Ringe liegen ihr unter den Augen. Sie hatte Angst um mich, sie dachte, ich wache nicht wieder auf. Doch dieser kurze Schlaf hat mir gut getan. Noch eine Nacht, und ich kann weiter. Wenn wir uns nach links halten, kommen wir in zwei Tagen an die Straße.
»Wie lange habe ich geschlafen?« fragte er in die Stille hinein.
Mabel schaute auf seine Hände. »Ein paar Stunden«, log sie. »Ich habe mich unterdessen ein wenig in der Umgebung umgesehen und konnte dich verbinden.«
»Hier ist es schön, nicht wahr, Mabel?« Dr. Bouth lächelte sie schwach an.
»Ja, Ralf. Hier ist es schön.«
»Etwas weiter, vielleicht zwanzig Minuten zu Fuß, ist ein Fluß.« Mabel schauderte zusammen. Dr. Bouth sah es nicht und sprach weiter. »Er ist voller wilder Strömungen und schießt zwischen zwei Felsen hindurch.«
»Du kennst den Fluß?« Mabels Zunge war schwer wie Blei. Die Worte schmerzten, als sie sprach.
»Ja. Ich habe dort zweimal geangelt. Damals war ich noch Student und verlebte meine Ferien in den Rockies, weil es eben zu einem Studenten unserer Gruppe gehörte, wenigstens einmal in den Rockies in Zelten übernachtet zu haben. Ich habe fast eine Woche an dem Fluß gelebt. Es war eine schöne, unbeschwerte Zeit.«
»Das glaube ich, Ralf.« Mabel lehnte den Kopf an seine Schulter. »Du«, sagte sie, um nichts von dem schrecklichen Fluß zu hören, »ich glaube, wir können unseren Hochzeitstermin nicht einhalten.«
Er lachte leise. Man sah, daß ihm das Lachen in der Wunde schmerzte.
»Wir sind uns ja bis heute nicht über dein Kleid einig. Ich will, daß du aussiehst wie eine Prinzessin.«
Sie schaute an sich herunter … die zerrissene Bluse, der zerfetzte Rock, die nackten, blutigen, aufgeschlagenen Beine.
»Eine Lumpenprinzessin«, lächelte sie. »Magst du mich denn noch, so, wie ich jetzt bin?«
Ich muß ihn ablenken, dachte sie dabei. Ich muß dumm reden, wie eine kleine, verliebte Gans, nur, damit er nicht an sich denkt, an die verzweifelte Situation, in der wir uns befinden. Ich muß ihn alles vergessen lassen. Ich muß ihn fröhlich und glücklich machen.
In diesen Stunden und Tagen wuchs sie über sich hinaus.
Sie küßte Ralf, sie legte sich neben ihn, drückte sich eng an ihn und ließ sich von seinen bebenden, schwachen Händen streicheln, sie ging auf in dem Opfer, ihn in diesen Stunden des Wiedererwachens zum Leben zu belügen.
Er muß ruhig sein … er darf sich nicht aufregen … Er muß denken, um uns herum ist der Frieden … die Freiheit. Er weiß ja nicht, wie schwer verwundet er ist, wie hoffnungslos er vor drei Tagen aussah.
Und
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