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Agenten kennen kein Pardon

Agenten kennen kein Pardon

Titel: Agenten kennen kein Pardon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich vor Lachen. »Madrid liegt dreihundert Kilometer von Tomelloso entfernt.«
    Dr. Ebberling sah kurz zu Sebaio hin und schüttelte den Kopf.
    »Es gibt keine Entfernungen mehr. Der neue Stern aus der Retorte überbrückt das Weltall.«
    Die Klänge des Quartetts waren das einzige, was im Raume stand. Sebaio kroch in sich zusammen. Er war plötzlich ernst. Er sah zu Dr. Ebberling hinüber und zog erregt an seiner Pfeife.
    Es gibt keine Entfernungen mehr, grübelte er. Er hat einen neuen Stern geschaffen, der Deutsche. Er ist ein Genie. Spanien wird unbesiegbar sein.
    *
    Südwestlich vom Emmons Peak, in den Uinta Mountains, liegt eine kleine Holzhütte, eines der typischen Blockhäuser, wie sie seit der Kolonisierung Amerikas an unzähligen Stellen gebaut wurden und heute als Jagdhütten und Rastplätze für Fellhändler oder Wanderer dienen. Sie bestehen aus einem großen Raum, einer offenen Feuerstelle, einem Strohlager in einer Ecke, roh gezimmerten Tischen und Bänken und zeigen keinen anderen Komfort als die Beruhigung, bei Regen trocken zu sitzen – falls das Balkendach noch dicht ist.
    Diese Hütten liegen abseits jeder Straße. Sie bilden die Oasen in der Steinwüste der Rocky Mountains, die ›Hotels‹ der Bummler und Abenteuerlustigen, die dem Grisly nachspüren oder romantische Erlebnisse suchen.
    In einer dieser Blockhütten lag Dr. Bouth auf dem Stroh, zugedeckt mit den beiden Decken. Er lag da mit geschlossenen Augen und um sich schlagenden Händen, mit heißer Stirn und zuckendem Körper. Wenn er die Lider hob, war sein Blick glasig, ohne Erkennen. Seit zwei Tagen lag er auf dem dumpfen, faulenden Stroh und kämpfte mit dem Wundfieber. Bis zu dieser Hütte hatte er sich geschleppt, dann war er Mabel vor die Füße gefallen und verlor die Besinnung. Mabel hatte ihn in die Hütte geschleift, neu verbunden und saß nun ratlos an dem Tisch. Was sie tun konnte, hatte sie getan … sie hatte ihn gewaschen, hatte die Wunde mit Puder und Salbe behandelt … nun wartete sie.
    Auf was, wußte sie nicht.
    Auf das Ende? Auf ein Wunder? Auf einen Wanderer, der vorüberkam und sie aus der Einsamkeit rettete?
    Sie war hilflos in dieser Stunde, wo Hilfe am dringendsten war. Sie konnte nichts tun als neben ihm sitzen, seinen Kopf stützen, wenn er fieberte, den kalten Schweiß von seiner Stirn und seinem Körper waschen und die brennende Wunde neu verbinden.
    Wenn er schlief, ging sie hinaus in den Wald, kletterte auf einen der hohen Bäume und wollte sehen, ob nicht in der Nähe die Zeichen anderer Menschen zu sehen seien. Aber wo sie hinblickte, waren Felsen, Wälder und Unendlichkeit. Kein Rauch aus dem Schornstein einer Hütte, kein zwischen den Bäumen leuchtendes Dach, kein Mensch, der auf einem Berg stand und wie sie über die Gegend schaute. Nichts.
    In naher Umgebung hörte sie ein leises Rauschen. Das mußte ein Fluß sein. Vielleicht einer der Flüsse, die den See bei Myton speisen. Dort müssen Angler sein, dachte sie. Dort kann ich ein Boot treffen. Aber wie bekomme ich Ralf durch den Wald? Ich kann ihn doch nicht tragen, ich bin doch viel zu schwach dazu. Und die Russen sind auch in den Wäldern … ich kann doch nicht schießen, wenn sie mich sehen. Ich kann doch keinen Menschen töten … Ich habe doch noch nie einen Revolver in der Hand gehabt.
    Sie stieg wieder von dem Baum herab und ging zur Hütte zurück.
    Ralf fantasierte. Er stammelte. Er riß die Arme weit in der Luft herum. Einmal schrie er auf und klammerte sich an die ihn stützende Mabel.
    Und wieder wischte sie den Schweiß von seinem Körper, verband die brandige Wunde neu, kühlte sie mit Salbe, träufelte ihm Wasser zwischen die rauhen Lippen und saß dann neben ihm, ohnmächtig, ihm weiter zu helfen, erschöpft in den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.
    In diesen Nächten betete sie. Still, in sich hinein, in einer innerlichen Zwiesprache mit dem einzigen, der noch helfen konnte. Sie saß in der Ecke am offenen Feuer und starrte in die Flammen. Die Wärme strahlte über ihren schmal werdenden Körper. Aber sie fror.
    Zwei Tage und zwei Nächte.
    Drei Tage … vier Tage … fünf Tage …
    Am sechsten Tag waren die Vorräte des Rucksackes aufgebraucht. Sie durchstreifte den Wald und schoß mit dem Revolver nach Vögeln. Bei ihrem ersten Schuß schloß sie die Augen. Und sie atmete auf, als der große Vogel – sie kannte nicht, zu welcher Sorte er gehörte – davonflog, und die Kugel durch die Zweige der Bäume pfiff. Doch

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