Agenten kennen kein Pardon
Bild war auf der Karte, die Hakanaki hervorzog.
Ein junger, intelligenter, braunlockiger Kopf mit hellen, tatenlustigen Augen.
Ein Name stand darunter. Heinz Behrenz. Deutschland.
Kein Ort. Keine Straße. Kein Datum.
Dr. Hakanaki sah auf das Bild mit dem frischen Jungengesicht.
Er könnte es tun, dachte er zufrieden. Er ist der richtige Mann. Als Angehöriger der deutschen Militärmission in Japan von den Amerikanern bei der Eroberung Okinawas gefangengenommen. In den Lagern auf hundert Inseln herumgeschleppt, verprügelt, verhört, verspottet. Mit Gewehrkolben geschlagen, drei Zähne verloren, in Dunkelhaft gehalten, um Aussagen zu erpressen. Als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt, beim Transport zu den Todeszellen geflohen und sich versteckt bei den Nationalisten Japans. Von ihnen der Atomstadt Nagoi als Verbindungsmann übergeben. Ein Amerikahasser, wie es keinen zweiten gibt. Beseelt von Rache und Vergeltung.
Dr. Hakanaki blickte auf. Auch er ist einer der Jungen, die man aus der Bahn warf, dachte er. Man hat ihn entwurzelt, schon, als man ihn nach Japan schickte. Ihn, den Jungen von der Mosel.
Es klopfte. Dr. Yamamaschi trat ein. Ihm folgte eine hohe, schlanke Gestalt. Ein weißer Kittel flatterte.
»Nehmen Sie Platz, Herr Behrenz«, sagte Dr. Hakanaki freundlich und wies auf den Sessel, in dem vor wenigen Minuten noch General Simanuschi hockte.
Behrenz setzte sich. Vorsichtig, als wittere er etwas. Stumm blickte er von einem der Gelehrten zum anderen. An den blinkenden Gläsern von Hakanakis Brille blieb sein Blick hängen. Er ahnte das Ungewöhnliche, das ihn hier in die Zentrale führte.
»Sie werden eine Reise machen«, sagte Dr. Hakanaki ohne lange Umschweife. Heinz Behrenz zog die Augenbrauen hoch. Aber er schwieg. »Sie werden eine schöne Reise machen«, fuhr Hakanaki fort. »Wir möchten Sie an einem Ort wissen, der uns sehr am Herzen liegt. Was halten Sie von Los Alamos?«
»Los Alamos?« Behrenz sah die Männer groß an. Seine Stimme war voll Erstaunen. »Ich habe diesen Ort noch nie gehört. Liegt er in Spanien?«
»Nicht ganz.« Hakanaki lächelte. »In den Vereinigten Staaten. Los Alamos ist die amerikanische Atomstadt. Die Konkurrenz. Wir haben Meldungen, daß sich dort Dinge vorbereiten, die unsere ganze bisherige Arbeit umsonst werden lassen! Was dies für Dinge sind, das möchten wir von Ihnen wissen.«
»Mit anderen Worten: Spionage!«
»Nicht ganz. Nennen wir es eleganter: Information!«
Dr. Hakanaki lächelte. Er bot Behrenz eine Zigarette an und goß ihm einen starken Reisschnaps ein.
»Es handelt sich um das Amerika, das Ihnen drei Zähne ausschlug«, sagte er mit seiner leidenschaftslosen Stimme.
Heinz Behrenz biß sich auf die Lippen. Er war blaß geworden. Seine Finger verkrampften sich ineinander.
Mit einem Ruck blickte er auf. »Verfügen Sie über mich!« sagte er laut.
Dr. Hakanaki lächelte leicht. »Ich danke Ihnen. Ich habe es nicht anders erwartet. Kommen Sie her, ich will Ihnen unsere Pläne zeigen …«
Wer eine Karte Rußlands vornimmt, selbst eine Spezialkarte Zentralrußlands, der wird vergeblich nach einem Ort Nowo Krasnienka suchen. Auch die Meßtischblätter der Generalstäbe aller Staaten, Blatt Jsh Njemdjesh, Gebiet zwischen Tolman und Njemda, zwei Flüssen jenseits der Wolga nach Sibirien hin, zeigen dort, wo Nowo Krasnienka liegen soll, Wald, Steppe und Sumpf.
Als vom Zentralbüro der technischen Kriegsführung in Moskau der Befehl erteilt wurde, in kürzester Zeit im Gebiet von Njemda südlich der kleinen Stadt Ljebjashie ein Atomwerk zu errichten, das die Erprobungen der unterirdischen Anlagen im Ural und in Südsibirien industriell auswerten soll, zweifelten auch die Experten des mit Millionen Arbeitern in Tag- und Nachtschicht fertiggestellten Eismeerkanals daran, ob dieser Befehl überhaupt ausführbar sei.
In wochenlangen Transporten wurden alle verfügbaren Kräfte der Armee, der Zwangsarbeitslager, der deutschen Kriegsgefangenen und freiwilliger chinesischer Arbeiter in das Gebiet der Njemda geworfen. Ein Millionen-Ameisenheer krabbelte über die Steppe und durch die Wälder, hoben die Fundamente aus, in die Spezialbetongießmaschinen die meterdicken Grundplatten füllten, richteten die Hochöfen, bauten die weiten Hallen, hoben aus der schwarzen Erde zwanzig Kilometer von Kokscha die Bunker aus, in denen hinter Bleiwänden unvorstellbarer Dicke die Riesenmagneten, die Brenner der Uranatome, getreu den amerikanischen Hanford-Anlagen
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