Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
nichts mehr zu orten vermögen. Sind wir daraus? Aus porösen Stoffen, aus Spurenelementen,
die gestaltlos fluktuieren, zusammengetrommelte Moleküle, von allen Seiten belastbar? Macht das uns so streitbar? Streit! Immer nur Streit! Fanatismus, hilflos gewordener Fanatismus…«
    »Jetzt komm doch zu dir!«
    »Komm zu mir, komm zu dir… Ich versteh es nicht mehr, Blok! Ich sehe dich nicht und mich nicht. Keine Gestalten, immer nur Fixative…«
    »Meynard, beruhige dich…«
    »Es ist randlos…«
    »Komm, gehn wir jetzt raus…«
    »Blok!… Du mußt mir helfen!!«
    Er zog mich am Arm und schob mich mit aller Gewalt zu der kleinen Sperre, durch die man in die Halle gelangte. Wir retteten uns aus dem Wasser, und Blok rückte mir einen Liegestuhl zurecht. Ich streckte mich aus und schloß die Augen. Agenten ! Ich wurde das Wort nicht mehr los; ich sah uns dicht bedrängt, unfähig, die Regie zu übernehmen. Ich spürte einen heftigen Druck in der Nähe des Herzens, eine unangenehme Verkrampfung, Atemlosigkeit. Es weckte die Erinnerung an die einsamen Nächte, an diese Wechselbäder, die ich längst für vergangen gehalten hatte. Blok beugte sich zu mir.
    »Sag mal, geht es jetzt besser?«
    »Es ist so schwül hier, Ausdünstungen, lauter Nebel… Diese Temperaturen sind extrem…«
    »Auf, komm, ganz nach draußen… Wird es gehen?«
    Ich stand auf, und wieder schwankten die Leiber vor meinen Augen. Es war ein sinistrer Gliederspeck, keine Konturen. Meine Haut kam mir ausgedörrt vor, seltsam entschlackt, von den Fesseln befreit. Blok ging langsam voraus, als ebne er einem Untüchtigen den Weg. Ein Bademeister erkundigte sich
nach meinem Befinden, doch Blok winkte ab. Er hielt mir die Tür auf, dahinter begann der Bereich der Umkleidekabinen, dunkelblaue Rhythmen, gestaffelte Denkmäler. Ein leichter Durchzug, eine Kühle, als saugte man Luft ab von oben…
    Dann wurde mir plötzlich sehr schwer. Einige Schritte, und ich setzte mich eine Weile. Der regelmäßige Atem kam allmählich zurück, Schweiß auf der Stirn. Ich zog mich an, Stück für Stück, die Reihenfolge bedenkend. Dann an den rauschenden Föhnen vorbei, röhrende Triebwerke, nichts sonst… Blok wartete oben vor dem Ausgang, und wir gingen nach draußen. Der Abend! Nichts mehr als der Abend!
    »Der süße Abend kommt, der’s mit den Schächern hält «, sagte ich leise. »Dir geht’s besser?«
    »Ja, alles in Ordnung!«
    »Hätte ich es dir nicht erzählen sollen, das mit Frankie?«
    »Nein, das war es nicht.«
    »Bist du wieder in Form?«
    »Bin ich…«
    »Weißt du was, wir machen es noch einmal wie früher…«
    »Was?«
    »Ein paar Runden Kölsch … Das entspannt. Hältst du mit?«
    »Ich zahle.«
    »Wo wir schon dabei sind, alles zu klären… Hast du gar nichts geahnt, von Frankie und mir?«
    »Nichts.«
    »Aber du hast es doch gehört, all dieses Streiten…«
    »Ich?! Wo gehört?«
    »Nebenan, du lagst doch mit Doris direkt nebenan.«
    »Du weißt davon?«
    »Für wie dumm hältst du mich?«
    »Hat sie dir etwas erzählt?«

    »Ich hab euch gehört, ich hab euch gesehen, und zum Dritten: Lautner hat es schon vor Monaten gemeldet…«
    »So ist das…«
    »Ja, so ist das…!«
     
    Meine Anstellung hatte sich bald herumgesprochen, ich merkte es an der jeden Tag reichlicher werdenden Post. Ich erhielt Einladungen zu Vernissagen und Vorträgen, zu Weinproben und internen dates mit klug ausgewählten, bunt zusammengestellten Mannschaften. Die Stadt hatte sich in den letzten Jahren verändert, sie hatte viel Jugend angezogen, Aufsteiger aus dem Frankfurter Umland, die hier ihre Nächte verbrachten, Unternehmer, die ein passendes Ambiente suchten, kleine Geschäftemacher, die Boutiquen und Kneipen eröffneten. Das Operettenflair des letzten Jahrhunderts erwies sich als Marke, man brauchte die Szenerien nicht erst zu erfinden oder neu aus dem Boden zu stampfen. Die verplüschten Absteigen wurden gekonnt renoviert, und aus alteingesessenen Weinstuben wurden Probierlokale mit ausgefallenen Sorten. Sanierungen trieben alles voran. Der Bezirk um das Verlagshaus wurde zur Altstadt erklärt und blieb kleinen Läden vorbehalten, die auf schnelle, vermögende Kundschaft setzten; Baulücken wurden durch Galerien und Passagen geschlossen, verspiegelte Fluchten, in denen niemand lange verweilte. Die früher noch deutlich unterscheidbaren Viertel verschmolzen zu einer einzigen, geschlossenen Zone, dem immer dichter und uniformer werdenden Terrain der

Weitere Kostenlose Bücher