Agentur der boesen Maedchen
mitten unter der Woche und scheinbar ohne jeden Anlass. Ich brauchte auch länger, um mich zu erinnern, dass man ihn Tag der Deutschen Einheit nannte, also nicht mal was Kirchliches. Dann muss man ja nicht mal in die Kirche gehen, dachte ich, und musste lachen. Da merkt man wieder die Erziehung. Seit Jahren hatte ich nicht mehr daran gedacht, in eine Kirche zu gehen, Erziehung hin, Feiertag her.
Ich war es gewohnt, mit sechs Stunden Schlaf auszukommen, das Neue daran war, dass die sechs Stunden erst vorbei waren, als die Kirchen zum Mittagsläuten ansetzten – schon wieder etwas Kirchliches. Ich befürchtete schon, ich würde der Altersfrömmigkeit verfallen. Da ich gestern mehr getanzt als getrunken hatte, fühlte ich mich ziemlich fit, auch wenn die Ohren noch etwas dröhnten.
So gut wie gestern hatte ich mich schon lange nicht mehr amüsiert. Was doch die Agentur an Vorteilen mit sich brachte – mal ganz abgesehen von dem Geld, das mir Annette noch am Abend ausgehändigt hatte. Clara hatte auch ihren Anteil abbekommen, mit den Scheinen von dem Architekten machte das siebenhundert, und sie war mehr als zufrieden und stand jederzeit wieder zur Verfügung. Ich erhob mich mühsam aus dem Bett, um mir eine Tasse Kaffee zu machen und dann wieder in die Federn zu fallen, der Tag sollte ganz mir gehören, und zwar mir allein.
In der Küche wartete schon Clara. Wie sie aus dem Bett gekommen war, war mir ein Rätsel, sie stand sonst nie so früh auf. Der Tisch war liebevoll gedeckt, alles, was der Kühlschrank zu bieten hatte, war ausgebreitet, meine Tochter hatte sich wirklich Mühe gegeben, sogar Heringe und Aspirin lagen bereit.
»Guten Morgen, Clara.«
»Guten Morgen. Es ist nicht Muttertag, aber ich wollte dich mal überraschen.«
»Das ist nett von dir. Aber den Hering kannst du wieder wegräumen. Mir ist mehr nach Kaffee.«
»Schon fertig.«
Während ich mich auf einem Küchenstuhl niederließ, eilte meine Tochter dienstfertig zum Herd und holte die Kanne. Sie schenkte mir ein und machte sich gar noch an dem Milchkännchen zu schaffen.
»Danke, das kann ich alleine. Mir geht’s nicht schlecht.«
»Hätte mich auch gewundert. Du warst ja gestern völlig aufgekratzt.«
»Einmal im Jahr lebe ich meine wilde Seite aus.«
»Davon habe ich noch nie was gemerkt.«
»Ich mache das sonst heimlich.«
»Ach so.«
Clara legte angestrengt die Stirn in Falten. Sie kratzte sich mal hier mal da, zupfte an ihrem Pyjama, setzte sich dann, zog die bloßen Füße hoch auf den Stuhl. Offenbar suchte sie nach einem passenden Übergang, sie wollte mir was sagen, das konnte ich ihrem Gesichtsausdruck entnehmen.«
»Du bist also ansprechbar?«
»Ich bin für dich immer ansprechbar.«
»Oh, das ist mir neu. Aber gut.«
Clara war nicht in Konfrontationslaune.
»Bist du mir eigentlich böse?«
»Warum sollte ich dir böse sein?«
»Wir haben noch gar nicht über Hannes geredet. Dabei ist es schon einige Tage her, dass er hier aufgetaucht ist. Und ich glaube, ich war damals nicht besonders nett zu dir.«
»Ich war so überrascht. Und du hast dich gleich auf seine Seite geschlagen.«
»Aber wenn ich mit dem einen rede, heißt das doch noch lange nicht, dass ich gegen den anderen was habe.«
»Gegen die andere.«
»Wie?«
Meine Tochter würde die weibliche Diktion nie begreifen. Rein grammatikalisch gesehen waren für sie alle Menschen Männer. Meine Erziehung hatte in diesem Punkt kläglich versagt.
»Schon gut. Ich habe Hannes seit mehr als zwölf Jahren nicht mehr gesehen, der Kontakt ist seit fast zehn Jahren abgebrochen, ich habe einfach nicht mehr mit ihm gerechnet.«
»Aber er will wirklich vieles wiedergutmachen.«
»Nun ja …«
»Er will nicht nur mich sehen und kennenlernen, sondern auch dich.«
»Das habe ich gemerkt.«
»Wieso?«
»Wir waren miteinander aus.«
Claras Gesicht hellte sich auf.
»Wie? Davon hat er mir ja gar nichts erzählt. Ihr vertragt euch also.«
»Wir versuchen es. Und dass er dir nichts erzählt hat, finde ich fair. Ich habe ohnehin nicht den Eindruck, dass er uns gegeneinander ausspielen will.«
»Das denke ich auch. Er hat mich gefragt, wie die letzten Jahre so gelaufen sind, aber er horcht mich nicht aus.«
»Habt ihr euch schon öfter getroffen?«
»Dreimal. Einmal davon mit Jens.«
»Und was sagte er?«
»Jens sagt, es wäre schade, dass ihr nicht gemeinsam gekommen seid. Ihr wärt sicher ein schönes Paar.«
»Das ist nett gemeint, aber …«
»Ich finde das
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