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Agentur der boesen Maedchen

Agentur der boesen Maedchen

Titel: Agentur der boesen Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kinskofer
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anderen mochte ich ihm gegenüber auf keinen Fall zugeben, dass ich allein war an diesem Tag.
    Mein Lover war zu seinen Eltern gefahren. Sein Vater war ziemlich krank, da war ein Weihnachtsbesuch durchaus angebracht. Ansonsten ging es uns ohnehin mehr schlecht als recht miteinander. Irgendetwas lief schief. Er hatte kaum noch Zeit, er kam seltener vorbei, er rief nur hier und da mal an. Ich konnte nicht genau sagen, was los war, er ließ es nicht raus. Vielleicht eine andere. Unser letztes Gespräch zu diesem Thema war etwa so verlaufen.
    »Du hast doch irgendetwas.«
    »Aber nein, Ricarda, ich bin nur angespannt, das macht die Arbeit.«
    Das hatte ich vor vielen Jahren schon mal von Franz gehört.
    »Ich habe das Gefühl, du willst mich zurzeit gar nicht sehen.«
    »Das kommt dir nur so vor, ich habe wirklich viel um die Ohren.«
    »Bin ich dir zu anstrengend?«
    »Nein, nein, wie kommst du nur darauf?«
    »Ich meine ja nur.«
    »Sagen wir so: Du hast dich schon verändert, irgendwie.«
    »Wie irgendwie?«
    »Ich weiß es nicht genau. Aber du bist so anhänglich geworden, du warst doch früher so selbstbewusst und so selbständig. Ich habe manchmal das Gefühl, du wartest nur noch darauf, dass ich komme.«
    Ich hatte das Gespräch an diesem Punkt abgebrochen, denn ich wusste, er hatte recht. Ich hatte beschlossen, die wilden Jahre ausklingen zu lassen. Meine Gedanken und Überlegungen drehten sich um Ralf. Manchmal ging ich nicht weg, weil ich mit einem Anruf von Ralf rechnete, manchmal überlegte ich wirklich, was ich kochen könnte für ihn oder anziehen, um ihm zu gefallen. Ich war unsicher geworden. Eine Bemerkung von Ralf konnte mich kränken, hatte er schlechte Laune, bezog ich das auf mich. Das war mir seit der frühen Zeit mit Franz nicht mehr passiert. Ich hatte panische Angst, verlassen zu werden. Das machte mich so anhänglich. Und je mehr ich an ihm klebte, desto mehr suchte er seinen Freiraum.
    Ich schenkte mir ein Glas Wein ein, suchte eine möglichst wenig weihnachtliche CD aus, es war Marlene Dietrich, und zog mich in meinen großen Sessel zurück. Die Erinnerungen krochen scheinbar aus dem Stoff heraus und an mir hoch: die Kämpfe nach der Trennung von Franz, die mühsamen Jahre, in denen ich mir ein neues, eigenständiges Leben aufbaute, mir ein paar gute Bekannte suchte, neugierig war auf Abenteuer mit Männern und ohne. Je mehr ich nachdachte, desto schlimmer wurde es. Ich wiederholte eine schlimme Phase meines Lebens. Ich musste wieder mühsam versuchen, mich auf meine Person und meine Interessen zu konzentrieren. Mit Ralf zusammen zu sein war in Ordnung, aber er war nicht alles, ich stand im Mittelpunkt meines Lebens. Es wäre schön, wenn ich die Zeit mit ihm teilen könnte, aber wenn er nicht wollte, musste es auch anders gehen.
    Ich war nahe am Nullpunkt angelangt, als es klingelte. Damit hatte ich nicht gerechnet, dass sich heute noch jemand für mich interessieren würde, jetzt mitten in meinem Vollbad aus Selbstmitleid.
    Mir fiel gar nicht so sehr auf, dass sie gemeinsam gekommen waren, ich war nur heilfroh, die beiden Menschen zu sehen, die mir neben Ralf im Moment am wichtigsten waren. Vor der Tür standen Annette und Gero. Begrüßung, Austausch kleinerer Geschenke, schon saßen wir im Wohnzimmer. Ich kriegte mich kaum ein vor Freude. »Wie schön, dass ihr gekommen seid. Ich dachte schon, ich sei heute mit dem Christkind allein.«
    »Und wo ist das Christkind, bitte schön?«
    Annette sah sich suchend in meinem völlig unweihnachtlichen Wohnzimmer um und setzte noch eins drauf.
    »Du weißt schon, dieses große Christkind, an dessen starker Schulter du deine Eskapaden vergessen kannst.«
    Gero sah gleich, dass irgendetwas nicht stimmte. Mir muss in diesem Augenblick mein Gesichtsausdruck völlig entglitten sein. Er stand von seinem Sessel auf und setzte sich neben mich auf die Couch.
    »Was ist los?«
    »Nichts, er ist nur nicht da.«
    »Und wo ist er?«
    »Er musste zu seinen Eltern, der Vater ist krank.«
    »Enttäuscht?«
    Ich konnte schlecht lügen. Gero kannte mich gut.
    »Ein bisschen.«
    »Wann kommt er wieder?«
    »Das steht noch nicht fest.«
    Annette mischte sich ein, und das holte mich kurz vor dem Bekenntnistrip wieder auf den Boden der gesellschaftlich erwünschten Lügen zurück, wo man auf die Frage, wie es geht, unabhängig vom eigenen Zustand mit »gut« antwortete.
    »Aber sonst geht’s dir gut?«
    »Ja klar, alles bestens.«
    Ich wirkte offensichtlich nicht

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