Agrippina - Kaiserin von Rom
sein Pferd durch die Kinder, die spielend die Straße bevölkerten. Die Handwerksbetriebe, Schmiede und Schreiner, Töpfer und Glasbläser, waren mittlerweile durch Gräberfelder abgelöst worden, die in unregelmäßigen Abständen den Weg säumten. Eine Truppe von Veteranen war mit der Behebung von Frostschäden beschäftigt, die der strenge Winter auf den Straßen hinterlassen hatte.
Kurz vor einer weiteren Glashütte bog ein schmaler Weg links in den Wald ab, den der Hagere einschlug. Nach etwa einer Meile hatte er sein Ziel erreicht: eine einsame Waldhütte, die sich ganz in den Schatten der riesigen Tannen duckte. Die Wände der primitiven Behausung bestanden aus Lehm, der auf allen Seiten mit Reisig gedeckt war. Ein altes Weib saß auf einer Bank vor der Hütte und legte Kräuter zum Trocknen aus. Ein schiefes Grinsen verunzierte ihr zahnloses Maul, als sie den Reiter bemerkte.
»Ich habe auf dich gewartet«, krächzte sie und rieb sich ihre verschorften Arme. »Tritt nur ein!«
Der Hagere band sein Pferd an und folgte der Alten in die dunkle, fensterlose Hütte, die eine Öllampe spärlich erleuchtete. Angeekelt verzog er seine Nase.
»Hier stinkt es erbärmlich«, sagte er und hielt sich ein Tuch vor die strapazierte Nase.
»Du bist hier auch nicht in einem Parfümladen, und Parfüm ist es ja auch nicht, was du von der alten Antrustra willst«, kicherte sie.
»Hast du das Zeug?«
»Freilich hab’ ich es!«
Die Alte nahm die Öllampe und ging mühsam zu einer verrotteten Holzkiste, die in einem dunklen Winkel ihrer Hütte stand. Ächzend hob sie den Deckel und kramte in der Kiste, bis sie nach einer Weile triumphierend ein kleines Fläschchen emporhielt.
»Ist es das, was der edle Herr begehrt?« Sie schüttelte die trübe Flüssigkeit, und der Bodensatz schwamm durch die Phiole.
»Wie gewünscht: absolut geschmacklos, wirkt erst nach zwei Stunden, kein Vorkoster kann es spüren. Und wenn er es bemerkt, ist es auch für den anderen zu spät. Fünf Tropfen genügen und der Hades steht offen.« Sie hustete bellend, und der Hagere bemerkte angewidert den Auswurf, den sie verbreitete. Er trat einen Schritt zurück.
»Ich kann mich darauf verlassen?«, fragte er leise.
»Sicher kannst du das. Locusta war eine ausgezeichnete Lehrmeisterin, und ich bin nicht schlechter als meine Schwester in Rom.« Sie hob klagend die mageren Arme.
»Agrippa war es, der uns trennte. Die Götter des Hades mögen ihn für alle Zeiten quälen! Mich hat er aus Rom vertrieben, Locusta durfte bleiben. Wahrscheinlich brauchte er sie, hi hi!« Sie kicherte und klatschte in ihre dürren Hände.
»Darf man erfahren, wer der geehrte Empfänger dieser Gabe sein wird? Ist es gar ein hohes Herrchen?« Wieder hustete sie und stützte sich schwer mit den griffeldünnen Armen auf den Tisch.
»Nein! Was geht es dich an, Alte, wer den Trunk leert. Hauptsache, du erhältst deinen Lohn!« Er zog einen Beutel aus seinem Gewand und schob ihn über den Tisch. Mit gierigem Blick öffnete das Weib mit ihren gichtigen Fingern den Beutel und stieß einen spitzen Schrei aus: »Du Betrüger! Drei Aurei waren ausgemacht, das sind nur dreißig Denar, nicht einmal die Hälfte! Zahl, was du schuldig bist!«
»Du musst verrückt sein, alte Hexe, wenn du glaubst, ich zahle dir deine Wucherpreise. Dreißig Denar sind mehr als genug für deinen Gifttrank.« Er nahm das Fläschchen und wandte sich zum Gehen, doch die Alte klammerte sich mit ihren dünnen Händen an seinen Mantel.
»Zahl, was du schuldig bist, oder Plutos Fluch soll dich treffen, du Schurke!«
Unwirsch versuchte der Hagere, sie wegzustoßen. »Nimm deine Hände weg, alte Hexe!«
»So ist das also! Nun gut! Zahlst du nichts, so kriegst du nichts!« Mit einer Schnelligkeit, die man ihr nicht zugetraut hätte, entriss sie dem Hageren die Phiole und schleuderte sie gegen die Wand, so dass sie in tausend Scherben zerfiel. Sofort versickerte die trübe Flüssigkeit im Reisig der Wand.
»Und sicher wird sich der Prätor für deine Pläne interessieren«, keuchte die Alte, »gleich morgen werde ich zu ihm gehen!«
»Du wirst zu niemandem gehen, alte Giftmischerin!« Wie von Zauberhand lag ein Dolch in seiner Hand.
»Das wirst du nicht wagen, du verd... ahhhh ...« Ein Schwall dunkelroten Blutes ergoss sich aus ihrem zahnlosen Mund. Mit ungläubigen Augen starrte sie auf das Messer, das ihr der Hagere in den Leib gerammt hatte.
»Ich verfl... verfluche dich bis zum En... Ende dei... deiner
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