Airborn 01 - Wolkenpanther
gespielt fröhlich.
»Hast du viele spannende Abenteuer erlebt?«, fragte Theodore seinen Vater.
»Du glaubst ja gar nicht, was ich alles gesehen habe!«, rief Szpirglas aus.
»Magst du mir davon erzählen«, fragte der Junge mit gekünstelter Geduld, als wäre das ein Spiel, das sie beide gerne spielten.
»Ach, es gibt so viel zu erzählen. Weißt du, was ich gesehen habe?«
»Was?«
»Einen Nacht-Regenbogen. Ehrlich, ich schwöre es.«
»Wie sah er denn aus?«
»Wie ein normaler Regenbogen, nur hat ihn nicht die Sonne an den Nachthimmel gezaubert, sondern der Mond. Er erstreckte sich in sämtlichen Farben, die du dir nur vorstellen kannst, von einem Ende des Horizonts zum anderen.«
»So was will ich auch sehen!«, sagte der Junge ungeduldig.
»Das wirst du auch. Wenn du älter bist und wir zusammen fliegen, dann werden wir in einer perfekten Nacht bei Vollmond ganz lange aufbleiben und auf einen Nacht-Regenbogen warten.«
»Und was noch?«
»Ich habe wieder das Seepferdchen gesehen.«
»Das riesige?«
»Und es war nicht mehr allein. Wir segelten dicht über dem Meer und das Wasser war kristallklar und ich konnte sie alle unter der Oberfläche sehen. Diesmal war es eine ganze Herde. Sie waren leuchtend orange und groß wie Delfine und sie sind nur so durch das Wasser geflogen.«
Ich lauschte, wie verzaubert von der Schönheit seiner Erzählung. Szpirglas' Gesicht und Stimme waren völlig verändert, als er mit seinem Sohn sprach. Der scharfe, spöttische Humor, den er an Bord der Aurora gezeigt hatte, und alles Bedrohliche waren verschwunden. Seine Augen waren groß und unschuldig wie die seines Jungen. Theodore hörte andächtig zu. Mein Vater hatte mir früher auch solche Geschichten erzählt.
Es machte mich wütend, dass so ein Mann einen Sohn hatte. Der Junge wusste nicht, wer sein Vater war und was er getan hatte, aber selbst wenn, würde es für ihn überhaupt eine Rolle spielen? Was hatte das mit ihm zu tun? Szpirglas war sein Vater, ein Mann, der Abenteuer erlebte, wundersame Geschichten erzählte und ihn auf dem Schoß hielt und küsste. Nur das zählte.
»Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte der Pirat, »und dann ab ins Bett mit dir.«
»Was denn?«, fragte der Junge und setzte sich kerzengerade auf.
»Hoffentlich habe ich es nicht vergessen …«
»Papa!«
»Nein, nein, hier ist es ja.« Szpirglas wühlte in seiner Brusttasche und zog ein kleines, goldenes Astrolabium heraus. Ich erkannte es sofort, denn es hatte früher in einem Ausstellungskasten in der oberen Empfangshalle der Aurora gelegen. Eine Erinnerung an die goldenen Zeiten der Luftschifffahrt.
Der Junge nahm es in seine kleinen Seesternchenfinger.
»Ein Astrolabium«, hauchte er.
»Richtig. Sehr gut. Damit kannst du durch sämtliche Lüfte der Welt fliegen und brauchst dich nur an den Sternen zu orientieren. Ein schönes Stück, nicht wahr?«, sagte Szpirglas und schaute mich an.
»Sehr schön, Sir«, sagte ich.
»Wo ist Delilah?«, fragte der Pirat.
Sie erschien wie gerufen und nahm Theodores Hand. Der Junge wollte seinen Vater nur ungern verlassen.
»Ich schau gleich morgen früh nach dir«, versprach Szpirglas. »Sollen wir zusammen frühstücken? Du weckst mich, sobald du wach bist, dann essen wir zusammen, nur du und ich. Aber jetzt ist es schon spät. Gute Nacht, Kleiner.«
Ich konnte nicht hinsehen, als er seinen Sohn noch einmal in den Arm nahm und küsste. Der Junge erwiderte den Kuss.
»Seine Mutter ist bei der Geburt gestorben«, sagte Szpirglas, während er zusah, wie der Junge von seiner Kinderfrau weggebracht wurde. »Er ist ein feiner Kerl, finden Sie nicht?«
»Ja«, sagte Kate. »Er wird so aussehen wie Sie, wenn er mal groß ist.«
»Glauben Sie?«, fragte Szpirglas erfreut.
»O ja.«
Das Abendessen wurde serviert. Dem lauten Jubel aus dem Speisesaal nach zu schließen, waren die Piraten sehr hungrig. Es schien tatsächlich Schweinefleisch zu sein, allerdings konnte ich auf den ersten Blick erkennen, dass es verkocht war. Küchenchef Vlad hätte bei diesem Anblick einen Anfall bekommen. Einen solchen Fraß hätte er nicht einmal der Schiffskatze vorgesetzt, wenn wir eine gehabt hätten.
Den Piraten schien es nichts auszumachen. Durch die Tür beobachtete ich die Männer und Frauen im Saal. Sie trommelten mit ihren Gabeln vor Begeisterung auf den Tischen, als das Essen aufgetragen wurde, und machten sich glücklich darüber her. Ihre schäumenden Krüge trugen zweifellos zu ihrer guten
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