Airborn 02 - Wolkenpiraten
sagte sie, ließ ihre Gabel aber liegen und nahm sich mit spitzen Fingern ein Stück Brot aus dem Korb.
Wir aßen schweigend und ich ließ den Blick über die Wände schweifen. An der einen hingen gerahmte Drucke der berühmten Luftschiffe Polaris und Marie Celeste .
An der anderen Wand war über die ganze Länge ein Streifen Schiffshaut befestigt, auf dem der Name Trident stand.
»Mein erstes Schiff«, sagte Slater, der meinem Blick gefolgt war. »Sie war ein Schrotthaufen, aber sie hat mir das Leben gerettet und geholfen, dieses Schiff hier zu bekommen. Deshalb sollte sie auch nicht in Vergessenheit geraten.«
Ich hatte den Eindruck, er wäre gerne mehr zu diesem Abenteuer befragt worden, doch ich hatte keine Lust, ihn jetzt beim Angeben zu unterstützen.
»Hm«, machte ich nur.
»Jetzt haben Sie aber meine Neugier geweckt«, wandte sich Kate an Slater. »Das klingt so, als hätten Sie eine aufregende Geschichte zu erzählen.«
Ich starrte nur finster vor mich hin.
Slater wehrte ab. »Nein, nein, Veteranengeschichten. Alle Luftschiffer haben welche, was, Cruse? Ich will euch mit meiner nicht langweilen.«
»Sie müssen sie uns jetzt erzählen, Mr Slater«, drängte Kate.
»Bitte sagt Hal zu mir«, protestierte er. »Wenn ich von all den feinen jungen Damen hier gesiezt werde, fühle ich mich alt.«
»In Ordnung, Hal. Bitte erzähl uns die Geschichte.«
»Sie war ein echtes Wrack«, legte Slater los. »Für das Fliegen so untauglich wie ein Amboss. Sie gehörte mir nicht einmal, sondern einem Gauner, der sie mir für das Doppelte ihres Werts vermietet hatte. Aber etwas Besseres konnte ich mir nicht leisten. Ich hab Frachtgut befördert und ein bisschen Bergungsarbeit gemacht. Meistens nur kleine Sachen, die gerade ausreichten, meine Kosten zu decken. Erinnert ihr euch an den Hurrikane Kate?«
»Hieß der wirklich so?«, fragte Kate erfreut.
»Natürlich nach dir benannt«, sagte ich.
Sie drehte sich nicht einmal um, um über meinen Scherz zu lachen, sie war viel zu sehr damit beschäftigt, Slater anzustrahlen.
»Der Hurrikan Kate!«, rief Slater aus. »Genau. Er war berüchtigt. Er stürmte über die amerikanische Ostküste. Ich wusste, dass viele Luftschiffe in Gefahr wären, wenn sie hineingerieten. Als machte ich mich mit meinem bleiernen Zeppelin auf den Weg.«
»Du bist extra in den Hurrikane hineingeflogen?«, fragte Kate mit großen Augen.
»Ach, ich war hungrig«, sagte Slater mit einem wölfischen Grinsen. »Ich musste endlich etwas aus mir machen, und zwar schnell. Da draußen hätte ich leicht umkommen können, so schlimm war es. Und eigentlich hätte ich das auch müssen.« Er nahm einen Schluck aus seinem Weinglas und gönnte uns dadurch eine kleine Pause, in der wir seinen wahnsinnigen Mut bewundern konnten. »Doch ich hatte unverschämtes Glück. Ich bin auf ein Postschiff gestoßen, das in Not war, die Haut zerfetzt und die Steuerflossen abgerissen. Es kreiselte schon langsam auf das Meer runter. Der Kapitän war verzweifelt und nahm die Hilfe an, die ich ihm anbot. Ich konnte es ins Schlepp nehmen und zur Küste ziehen. Zweimal waren wir kurz davor, ins Meer abzusacken, aber wir haben es geschafft. Der Luftgerichtshof hat mir fünfundzwanzig Prozent von Schiffswert und Ladung zugesprochen – und wisst ihr was? Sie hatte eine Fracht Yukongold geladen! Genug für mich, um ein funkelnagelneues Schiff zu bauen.«
Eine gute Geschichte, das musste ich leider zugeben. Während er sie erzählte, hatte Slater niemanden außer Kate im Blick. Und sie hatte völlig selbstvergessen zugehört, nur ab und zu vor Aufregung und Anerkennung geseufzt. Am liebsten hätte ich in mein Weinglas gebissen. Slater war nicht der Einzige, der Geschichten zu erzählen hatte, aber mir fiel nicht ein, wie ich meine Geschichten anbringen konnte, ohne den Eindruck zu machen, mit ihm gleichziehen zu wollen. Ich sah zu Kate und hoffte, sie würde einspringen und mir helfen.
»Und was ist mit deinen Veteranengeschichten?«, fragte mich Nadira. »Kämpfe mit Piraten wie Vikram Szpirglas?«
Ich wandte mich ihr überrascht und mit großer Dankbarkeit zu.
»Ach, das hast du doch sicher satt, es immer und immer wieder zu erzählen«, sagte Slater und nickte mir verständnisvoll zu.
»Ich würde es aber gerne aus erster Hand hören«, drängte Nadira. »Ich hab Gerüchte gehört und in der Zeitung darüber gelesen, aber ich hab mich immer gefragt, ob das nicht von den Massenblättern aufgedonnert worden ist, um eine
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