Airframe
wurde es dunkel, der Himmel nahm ein tiefes Blau an. Auf dem Weg zum Verwaltungsgebäude hörte sie das entfernte Brausen von startenden Flugzeugen auf dem Burbank Airport. Vor ihr schlurfte Amos Peters mit einem Stapel Papiere unter dem Arm zu seinem Auto. Er drehte sich um.
»Hallo, Casey.«
»Hallo, Amos.«
Er knallte die Papiere auf das Dach seines Autos und bückte sich, um die Tür aufzuschließen. »Ich habe gehört, sie legen Ihnen jetzt die Daumenschrauben an.«
»Ja.« Es überraschte sie nicht, daß er es wußte.
Wahrscheinlich wußte es inzwischen schon die ganze Firma.
Das war so ziemlich das erste, was sie bei Norton gelernt hatte. Daß jeder alles wußte. Schon Minuten nachdem es passiert war.
»Und Sie machen das Interview?«
»Ich habe gesagt, daß ich es mache.«
»Werden Sie sagen, was die von Ihnen wollen?«
Sie zuckte die Achseln.
»Sie dürfen nur nicht hochnäsig werden«, sagte er. »Das sind Fernsehleute. Die stehen auf der Evolutionsleiter noch unter Tümpelschleim. Lügen Sie einfach. Was soll’s denn.«
»Wir werden sehen.«
Er seufzte. »Sie sind doch alt genug, um zu wissen, wie es funktioniert«, sagte er. »Fahren Sie jetzt nach Hause?«
»Noch eine ganze Weile nicht.«
»Ich würde spätabends nicht mehr in der Firma herumhängen.«
»Warum nicht?«
»Die Leute sind aufgebracht«, sagte Amos. »In den nächsten paar Tagen sollten Sie abends besser nach Hause fahren. Sie wissen, was ich meine?«
»Ich werde daran denken.«
»Tun Sie es, Casey. Ich meine es ernst.«
Er stieg in sein Auto und fuhr davon.
19 Uhr 20
QA
Norma war schon gegangen. Die QA-Büros waren verlassen. Das Reinigungspersonal hatte in den hinteren Räumen bereits mit der Arbeit begonnen; aus einem Kofferradio drang ein ble-chernes Run Baby Run.
Casey ging zur Kaffeemaschine, goß sich einen Becher kalten Kaffee ein und trug ihn in ihr Büro. Sie schaltete das Licht ein und starrte den Stapel Papiere auf ihrem Schreibtisch an.
Dann setzte sie sich und versuchte, sich nicht entmutigen zu lassen: Sie hatte noch gut zwanzig Stunden bis zum Interview, und alle ihre Spuren verliefen im Sand.
Lügen Sie einfach. Was soll’s denn.
Sie seufzte. Vielleicht hatte Amos recht.
Sie schob das Bild von John Chang und seiner lächelnden Familie beiseite und starrte auf die Papiere. Sie wußte nicht, was sie tun sollte, außer diese Unterlagen durchzugehen. Und sie zu überprüfen.
Ihr fiel wieder der Flugplan in die Hände. Und wieder reizte er sie. Sie wußte, daß sie eine Idee gehabt hatte, kurz vor Marders Anruf am Abend zuvor. Sie hatte ein bestimmtes Gefühl…
aber was war es?
Was es auch war, jetzt war es verschwunden. Sie legte den Flugplan beiseite, zu dem unter anderem auch die Mannschaftsliste gehörte.
John Zhen Chang, Kapitän
7/5/51
M
Lu Zan Ping, Erster Offizier
11/3/59
M
Richard Yong, Erster Offizier
9/9/61
M
Gerhard Reimann, Erster Offizier
23/7/49
M
Thomas Chang, Erster Offizier
29/6/70
M
Henri Marchand, Techniker
25/4/69
M
Robert Sheng, Techniker
13/6/62
M
Harriet Chang, Flugbegleiterin
12/5/77
W
Linda Ching, Flugbegleiterin
18/5/76
W
Nancy Morley, Flugbegleiterin
19/7/75
W
Kay Liang, Flugbegleiterin
4/6/72
W
John White, Flugbegleiter
30/1/70
M
M. V. Chang, Flugbegleiterin
1/4/77
W
Sha-Yan Hao, Flugbegleiterin
13/3/73
W
Yee Jiao, Flugbegleiterin
18/11/76
W
Harriet King, Flugbegleiterin
10/10/75
W
B. Choi, Flugbegleiterin
18/11/76
W
Yee Chang, Flugbegleiterin
8/1/74
W
Sie hielt inne, trank den kalten Kaffee. Etwas ist merkwürdig an dieser Liste, dachte sie. Etwas Offensichtliches, das ihr eigentlich in die Augen springen müßte. Aber sie sah es einfach nicht.
Sie legte die Liste beiseite.
Das nächste war eine Transkription der Funkkommunikation des SOCAL ATAC, des Luftverkehrskontrollzentrums für Südkalifornien. Wie üblich war es ohne Interpunktion gedruckt, und der Funkverkehr mit Flug 545 war vermischt mit Gesprächen zu anderen Maschinen:
0543:12
UAH 198
drei sechs fünf boden fünfunddreißigtausend
0543:17
USA2585
wieder auf frequenz entschuldigung habe funkgerät gewechselt
0543:15
ATAC
eins neun acht verstanden
0543:19
AAL001
treibstoff bei vier zwei null eins
0543:22
ATAC
verstanden zwei fünf acht fünf kein problem empfangen sie wieder
0543:23
TPA545
hier transpacific fünf vier fünf wir haben einen notfall
0543:26
ATAC
korrekt null null eins
0543:29
ATAC
berichten sie transpacific fünf vier fünf
0543:31
TPA545
erbitten dringlichkeitsfreigabe für notlandung in
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