Airframe
am Ellbogen und brachte sie wieder in den War Room. Casey kam sich vor wie ein Gladiator, der in die Arena geführt wird.
Im War Room brannten grell die Scheinwerfer. Es war sehr heiß. Sie wurde zu ihrem Platz am Tisch geführt, man bat sie, nicht über die Kabel am Boden zu stolpern, und half ihr beim Hinsetzen. Hinter ihr standen zwei Kameras und vor ihr ebenfalls zwei. Der Kameramann hinter ihr bat sie, den Stuhl zwei Zentimeter nach rechts zu rücken. Sie tat es. Ein Mann kam zu ihr und korrigierte den Sitz des Mikros an ihrem Revers, weil er Kleiderrascheln hören konnte, wie er sagte.
Ihr gegenüber befestigte Reardon sein Mikro ohne fremde Hilfe und plauderte mit dem Kameramann. Dann setzte er sich ungezwungen. Er wirkte entspannt und lässig, sah sie an und lächelte ihr zu. »Keine Angst«, sagte er. »Das wird ein Kinderspiel.«
Malone sagte: »Sie sitzen, Jungs, los geht’s. Es ist heiß hier drin nen.«
»Kamera eins bereit.«
»Kamera zwei bereit.«
»Tom bereit.«
»Licht an«, sagte Malone.
Casey hatte gedacht, alle Scheinwerfer seien bereits an, aber plötzlich strahlte aus allen Richtungen grelles Licht auf sie herab. Sie kam sich vor wie in einem glühenden Ofen. »Kameracheck«, sagte Malone. »Hier alles klar.«
»Alles klar.«
»Okay«, sagte Malone. »Und ab.« Das Interview begann.
14 Uhr 33
War Room
Marty Reardon sah ihr in die Augen, lächelte und deutete auf das Zimmer. »Hier passiert also alles.«
Casey nickte.
»Hier treffen sich die Spezialisten von Norton, um Flugzeugunfälle zu analysieren.«
»Ja.«
»Und Sie gehören zu diesem Team.«
»Ja.«
»Sie sind Vizedirektorin der Qualitätssicherung bei Norton Aircraft.«
»Ja.«
»Und seit fünf Jahren bei der Firma.«
»Ja.«
»Man nennt dieses Zimmer den War Room, nicht?«
»Einige tun es, ja.«
»Warum?«
Sie zögerte. Sie wußte nicht so recht, wie sie die Diskussionen in diesem Zimmer beschreiben sollte - die Unbeherrschtheiten und Zornausbrüche, die das Bemühen, einen Flugzeugunfall aufzuklären, begleiteten -, ohne etwas zu sagen, das Reardon aus dem Kontext reißen und für seine Zwecke verwenden konnte.
»Es ist nur ein Spitzname«, sagte sie.
»Der War Room«, sagte Reardon. »Karten, Tabellen, Schlachtpläne, Streß. Die Anspannung, wenn man unter Beschuß ist. Ihre Firma, Norton Aircraft, ist doch im Augenblick unter Beschuß, nicht?«
»Ich weiß nicht so recht, wie Sie das meinen«, sagte Casey.
Reardon zog die Augenbrauen in die Höhe. »Die JAA, die europäische Flugaufsichtsbehörde, verweigert die Freigabe eines Ihrer Flugzeuge, der N-22, mit der Begründung, sie sei unsicher.«
»Tatsächlich ist die Maschine bereits freigegeben, aber …«
»Und Sie stehen kurz davor, fünfzig N-22 an die Chinesen zu verkaufen. Doch jetzt sagen auch die Chinesen, daß sie sich Gedanken über die Sicherheit dieses Flugzeugs machen.«
Sie regte sich über diese Anspielung nicht auf, sondern sah Reardon gelassen an. Der Rest des Zimmers schien zu verschwimmen.
Sie sagte: »Über chinesische Bedenken ist mir nichts bekannt.«
»Aber Sie kennen«, sagte Reardon, »den Grund für diese Sicherheitsbedenken. Ein schwerer Unfall Anfang dieser Woche. Mit einer N-22.«
»Ja.«
»TransPacific-Flug 545. Ein Unfall mitten in der Luft, über dem Pazifik.«
»Ja.«
»Drei Menschen starben. Wie viele wurden verletzt?«
»Ich glaube fünfundsechzig«, sagte sie. Sie wußte, daß das schrecklich klang, egal wie sie es sagte.
»Fünfundsechzig Verletzte«, wiederholte Reardon mit Nachdruck. »Genickbrüche. Gebrochene Glieder. Gehirnerschütterungen. Hirnschäden. Zwei Menschen ein Leben lang gelähmt … «
Reardon ließ den Satz verklingen und sah sie an.
Er hatte ihr keine Frage gestellt. Sie sagte nichts. In der sengenden Hitze der Scheinwerfer wartete sie einfach ab.
»Wie stehen Sie dazu?«
Sie sagte: »Ich glaube, daß jedem bei Norton die Luftsicherheit sehr am Herzen liegt. Das ist der Grund, warum wir unsere Maschinen bis zum Dreifachen der projektierten Lebensdauer testen …«
»Sie liegt Ihnen sehr am Herzen. Halten Sie das für eine angemessene Reaktion?«
Casey zögerte. Was wollte er damit sagen? »Tut mir leid«, sagte sie, »ich fürchte, ich kann Ihnen nicht so recht folgen …«
»Hat die Firma die Verpflichtung, ein sicheres Flugzeug zu bauen?«
»Natürlich. Und das tun wir auch.«
»Nicht alle stimmen dem zu«, sagte Reardon. »Die JAA stimmt dem nicht zu. Und die Chinesen
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