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Airport-Klinik

Airport-Klinik

Titel: Airport-Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Volk tragen wir die medizinische Verantwortung. Wir, Rolf, denn wir sind hier das Front-Lazarett. Und du glaubst …«
    Er hatte leise, doch immer heftiger gesprochen, nun brach er ab, ließ den Satz offen und beendete ihn mit einer resignierten Handbewegung.
    Britte spürte, wie die Hitze ihren Rücken hochkroch. Ihre Ohrläppchen glühten. Die Müdigkeit war verflogen. Und nun hörte sie auch noch Rolf Gräfe sagen: »Was erwartest du, daß ich jetzt antworte? Soll ich die Hacken zusammenschlagen? Willst du ein: Jawohl, Herr Chefarzt! Ehrenwort, Herr Chefarzt! Ich besteige nie mehr ein Motorrad! Ich verscherble meine Honda! – Darf es das sein?«
    Hansen ließ sich in seinen Schreibtischsessel fallen, besah sich seine kurzgeschnittenen Fingernägel, blickte dann hoch und musterte Rolf Gräfe, als sähe er ihn zum ersten Mal: »Unbelehrbar, was?«
    »Nicht unbelehrbar – sauer.«
    »Auch noch. Ausgerechnet. Aber trotzdem, Rolf, ich verlang von dir jetzt eine Antwort auf drei Fragen. Erstens: Was versprichst du dir von diesem spätpubertären Wahnsinn? Was soll denn das, bei jeder möglichen oder unmöglichen Gelegenheit auf so einer Affenschaukel über irgendwelche Hindernisse zu donnern und dabei Arbeitsfähigkeit und Job zu riskieren? Zweitens: Wenn du das schon tust, hältst du es dann für fair, im OP mit einer lädierten Hand aufzukreuzen und damit nicht nur das Leben eines Patienten, sondern auch den Ruf der Klinik in Gefahr zu bringen? Ganz abgesehen davon, in welch heikle Lage du den Operateur dabei bringst. Und schließlich die letzte Frage: Was würdest du denn tun, wenn du hier auf meinem Sessel säßest? Wie würdest du an meiner Stelle reagieren, Rolf? Mal ganz ehrlich …«
    »Ich sitze aber nicht auf deinem Sessel.«
    »Das ist keine Antwort.«
    Dr. Gräfe machte einen halben Schritt nach vorn. Britte sah, wie sich seine Fäuste ballten. Ihr Herz zog sich zusammen vor Furcht. Wenn er jetzt losschlägt, dachte sie, was dann? So hatte sie ihn noch nie gesehen, das Gesicht dunkel vor Zorn. »Die Antwort lautet: Ich bin auch nur ein Mensch. Und ein Mensch macht Fehler. Er hat sogar ein Recht darauf.«
    »Wir haben dieses Recht nicht.«
    »Ach nein? Und du mit deinen Weibergeschichten? Wenn du so den überheblichen Lehrmeister spielst, kotzt mich das an. Und soll ich dir noch was sagen …«
    Dr. Hansen lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloß die Augen. »Sag's nicht, Rolf. Hau hier ab. Nicht aus der Klinik, aber aus meinem Zimmer. Und auf der Stelle.«
    Die Tür schlug zu. Er war so schnell hinausgestürmt, daß Britte gar nicht die Gelegenheit hatte, zu einem eigenen Entschluß zu kommen. Sie stand da wie gelähmt und sah dieses starre Gesicht mit den geschlossenen Augen dort hinter dem Schreibtisch.
    »Verzeihen Sie, Herr Doktor«, sagte sie leise. »Es tut mir so unendlich leid … Und ich werde auch nicht mehr zu spät zum Dienst kommen, wirklich, ich schwöre es, nie mehr …«
    »Ist schon gut«, murmelte Hansen.
    Britte ging. Er hörte das leise Klappen der Tür. Er stand auf. Sein Körper war schwer. Und der Tag hatte noch nicht einmal begonnen.
    In der Bleistiftschale auf seinem Tisch fand er noch eine Zigarette. Er zündete sie an und sog den Rauch in die Lungen und betrachtete dann durch den dünnen, tanzenden Nebel das Bild an der Wand. Er selbst hatte es ausgesucht. Es war ein Druck des russischen Malers Marc Chagall und zeigte einen jungen Mann, der mit ausgestreckten Armen und verklärtem Gesicht und mit einer Rose in der Hand über Felder und Bäume einer lieblichen Landschaft dem Silbermond entgegenschwebte.
    Es war nicht so sehr der fliegende Jüngling mit der Rose, der die Melancholie in Fritz Hansen noch vertiefte – es waren die Bäume, das Grün der Hügel … Weg, dachte er, irgendwohin, wo es etwas gibt, das man riechen, anfassen kann. Raus aus diesem Beton-Berg. Statt Neonlicht Sonne auf der Haut. Von mir aus auch Wind, Regen oder Schnee. Aber raus …
    Im fernen Südamerika, in Villaverde in Kolumbien, spuckte Ramon Garcia die Zigarette aus und trat sie in den Kies des Weges. Er hatte einen sonderbaren Geschmack im Mund, und er wußte genau, wo er herkam: Es war Angst. Die pure Scheißangst! Wann hatte er so etwas zum letzten Mal gespürt? Vor anderthalb Jahren, als plötzlich auf dem steilen, mit glitschigem Gras bewachsenen Hang einer der Zwillinge zu rutschen begann und er ihm nachrannte, selbst ins Rutschen geriet und sie dann beide, wild um sich schlagend, dem

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