Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Airport-Klinik

Airport-Klinik

Titel: Airport-Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
eine runde, blaue, abgespeckte Lotsenmütze, unter der ein Kranz weißlich gelber Haare hervorquoll, die auf eine alte, grüne Kordjacke herunterhingen.
    Er hieß Sievers, und Brunner ging langsam auf ihn zu und überlegte, ob er den Alten mit einem festen Griff an der Schulter erschrecken sollte. Aber dann ließ er es doch sein.
    »Na, Captain?« sprach er ihn an.
    Den Titel ›Captain‹, manchmal auch ›Skipper‹ hatte Sievers seiner speckigen Mütze zu verdanken. Wie von der Tarantel gestochen, fuhr er jetzt hoch, rückte die Stahlbrille zurecht und musterte Brunner aus seinen wässrigen Penner-Augen. Immerhin, registrierte Brunner, er hat sich rasiert. Aber diese Knochen und die dünne Haut? ›Leberzirrhose‹, hatte er mal gesagt. Aber die Augen wirkten schon wieder munter. Es waren Augen, die niemals aufgaben.
    »Buona sera, comandante«, revanchierte sich Sievers. Er war nun wirklich ein echter Fall: Sprach fünf Sprachen, hatte als Schiffs-Ingenieur die ganze Welt gesehen und war nach einer kaputtgegangenen Ehe auf das geraten, was man so die ›schiefe Bahn‹ nennt.
    Er selbst empfand es nicht so. »Ich fühl mich wohl in meiner Haut, solang sie noch hält«, war sein Wahlspruch.
    Jetzt allerdings blickte er nun doch ein wenig unsicher. »Willst mich wohl rausschmeißen, Comandante? So wie letzten Dienstag? Und weißte, was mir dann in der S-Bahn passiert ist? Da hat mich der Kontrolleur geschnappt. Na, das war vielleicht ein Theater!«
    »Was heißt Theater, Skipper? War doch prima, konntest wieder mal in den Knast. Wurdest versorgt.«
    »'ne Fahrkarte reicht doch nicht mehr dafür, Comandante. Hast du 'ne Ahnung. Das waren die guten alten Zeiten. Aber heute …«
    Heute? – Genau das war die Frage und das Problem. Im Schnitt wurde Sievers zwei- bis dreimal in der Woche im Flughafen geschnappt. Und wenn Brunner ihn in die Finger bekam, hielt er jedesmal dieselbe Predigt. Aber es war in etwa wie mit den Mäusen und den Grillen und den Schaben, die sich trotz aller Putzfrauen-Kolonnen und Kammerjäger zwischen Gummi und Stahlbeton in Ritzen und Papierkörben festsetzten; man schmiß sie zwar raus, aber sie kamen zur Hintertür wieder rein.
    Mit den Stadtstreichern wurde keiner fertig, obwohl sie nun bei Gott nicht so recht zu dem feinen Image passen wollten, das die Flughafen-Leitung so gern dem ›Drehkreuz Europas‹ verpaßt hätte.
    »Also weißte, Comandante«, fing Sievers wieder an, »sei mal ein Mensch. Ich hab' heute Geburtstag.«
    »Das hast du das vorletzte Mal auch gesagt.«
    »Trotzdem …« Sievers fiel nichts mehr ein, als ein bettelnder Blick. Der Brunner war ja in Ordnung, alles war verloren, wenn der Schutzdienstboß, verdammt nochmal, jetzt auf die Idee kam, seinen Matchsack öffnen zu lassen? Na dann, verflucht nochmal, dann findet er zunächst 'nen halben Brotlaib, die Schnapsflasche – und darunter das geklaute Kroko-Täschchen …
    Lieber Gott, betete Sievers, laß diesen Ordnungsheini doch endlich weitergehen! War ja nun wirklich nicht der Hit gewesen, das Täschchen: Siebzig Mark und sechs Dollar, was ist das schon? Und bei der reichen Araberin, der er es abgeknöpft hatte, wäre eigentlich mehr zu erwarten gewesen. – Und Brunner? Vielleicht ist der ›Comandante‹ der einzig Vernünftige unter den ganzen Schutz-Heinis, die dir das Leben schwermachen – aber was den ›schnellen Griff‹ angeht, da verstand nicht mal er Spaß.
    »Na dann, Sievers«, sagte er jetzt, »weißte was, ich mach dir 'nen Vorschlag: Bis zwanzig Uhr noch – und dann hast du dich verdünnisiert, dann biste weg hier.«
    »In Ordnung«, beeilte sich Sievers zu versichern. »Versprochen!«
    Der große Mann lächelte dünn, tippte kurz mit der Hand an die Schläfe und marschierte weiter.
    Sievers sah ihm nach. Ein Stein, ein ganzer Berg, der ihm vom Herzen fiel. Schwein gehabt … Und jetzt, na, jetzt ein süßes, kaltes, gutes Bier! An der Bar bedienen sie dich ja nicht, aber im Supermarkt ist's sowieso billiger. Und dann runter zum Flughafen-Bahnhof!
    Es begann jedesmal mit einem feinen Zittern. Man spürte es an den Fußsohlen. Und aus dem Zittern wuchs Lärm, ein dunkles Grollen, das näher und näher kam und einen kalten Luftstrom aus dem dunklen Tunnel-Eingang herausschleuderte. Bis dann, wie zwei Raubtieraugen, die Zugscheinwerfer auftauchten …
    Karin hatte es nun zum zehnten, vielleicht schon zum zwölften Mal mitangesehen. Sie hatte alles registriert und sich nicht bewegt. Sie saß auf ihrer

Weitere Kostenlose Bücher