Airport-Klinik
Oder wieder mal ein arabisches Couscous?
Der Flughafen ist eine Stadt in der Stadt. Und dazu ein ewig währender, rund um die Uhr geöffneter Bazar der Träume und Wünsche. Was soll's noch sein? Ein hübsches Mädchen? Gleich drüben an der Bar sitzen sie, und die Kreditkarte genügt.
Oder eine letzte Nacht mit der Braut vor dem Start nach Copacabana? Aber sicher: Dafür stellt das Airport-Sheraton seine Honeymoon-Suite zur Verfügung. Für den Klacks von 1.800 D-Mark.
Ja, alles ist hier zu haben. Alles! Die exotischsten Städte, die schönsten Strände, die abenteuerlichsten Dschungel – am Counter gibt's das Ticket. Ein Moloch ist der Airport, mit 50.000 Menschen, die rund um die Uhr für ihn arbeiten. Ein Moloch, der die Welt verknüpft und doch die Menschen zu trennen scheint von dem, was diese Welt bedeutet. Denn ewig herrscht hier Frühling. Man kennt weder Kälte noch Hitze. Die Klimaanlagen sorgen für permanente dreiundzwanzig Grad.
Wie in einer der utopischen Städte, von denen die Architekten der sechziger Jahre träumten mit gewaltigen Kunstgebilden aus Glas und Beton auf dem Mond oder unterm Meer – so herrschen auch hier, von Neonlicht und Glaskuppeln erhellt, die ewig gleichen Bedingungen. Und die gleichen menschlichen Muster: Armut und Protzentum, Verzweiflung, Verlorensein, Einsamkeit … Die einen sind oben, die anderen unten. Es gibt die Ganoven und die Strichjungen, die Banker und die Penner.
Und diejenigen, die auf all das ein Auge haben müssen.
Als Friedhelm Brunner die Leitstelle des Flughafen-Schutzdienstes verließ, war es kurz nach sieben. Drüben im Lage-Zentrum flirrten auf den Monitoren die Bilder, die aus allen Winkeln des riesigen Airport-Komplexes von jeweils dort installierten Kameras kamen. Aber diese elektronische Kontrolle reichte ja nicht aus. Der Mensch mußte sie ergänzen.
Brunner hakte das Funkgerät unter seiner Jacke fest. Wie immer bei seinen Runden, trug er auch heute Zivil. Selbst auf die ID-Karte hatte er verzichtet. Das machte ihm die Arbeit nicht nur bei den Ganoven leichter, es half ihm auch, den eigenen Leuten vom Flughafen-Schutzdienst ein wenig auf die Finger zu sehen. Die merkten nicht sofort: Der Chef kommt …
Bereits in der Werkhalle traf er das erste Paar: Walter Scheidt und ›Greif‹ auf Streife. Eine ungleiche Kombination, denn ›Greif‹ war ein sechsjähriger Deutscher Schäferhund-Rüde mit bernsteinklaren, intelligenten Augen und einem wunderschön gezeichneten grauweißen Fell.
»Bist schon unser Bester!«
Brunner tätschelte ›Greifs‹ breiten Kopf. Er war wirklich der Beste. Nicht nur, daß man ›Greif‹ auf das Aufspüren von Sprengstoffen dressiert hatte – in jeder Ecke, aus jeder Verpackung und jedem Koffer witterte er den leichten Kerosin-Duft von Plastiksprengstoff –, seine übersensible Nase fand außerdem auch Schwarzpulver, ›Unkraut-Ex‹, präparierte Zünder oder Sprengstoff-Röhrchen. Dabei war er unter den zwanzig Tieren der Hunde-Staffel des Flughafen-Schutzdienstes der gutmütigste und freundlichste, ›Greif‹ trug Zeitungen hin und her, mochte jeden, ließ sich von allen streicheln …
»Na dann, ihr beiden!« rief Brunner zum Abschied und ging weiter, fuhr Rolltreppe. Verdammt, vor dem Porno-Kino standen schon wieder ein paar herrenlose Koffer! Na, wenn die leichtsinnigen Besitzer es so haben wollten, bitte schön! Lange würden die wohl nicht stehen bleiben …
Die Mädchen an der Theke des ›Otto Lilienthal‹ drehten rasch den Blick weg, als er auftauchte. Er kannte sie, sie kannten ihn … Daneben ein paar Inder, die ihm auch nicht gefielen. Und drüben, dieser Junge, der am Zeitungsladen lehnte? Na, laß ihn mal, den schaust du dir später an.
Dies war Brunners Revier und in gewissem Sinne seine Heimat. Jede Ecke kannte Brunner, jeden Winkel und jedes Versteck, die angenehmen und die Schattenseiten – so, als wäre es seine Stadt. Und sowas wie eine Stadt war der Airport ja auch: Ein Leben konnte man hier verbringen und sich am Ende vom Pfarrer mit einem Segen verabschieden lassen. Pfarrer gab's gleich zwei oder drei – nur der Friedhof fehlte noch.
Aber den, dachte Brunner, den werden sie ja wohl auch noch anlegen. Für die Dauerkunden.
Dort, dort hatte er schon einen …
Brunner sah ihn von oben, von einer neuen Rolltreppe aus, als er sich in die ›Ebene unter dem Flughafen‹ hinabtragen ließ. In die Halle, wo die US-Gesellschaften ihre Check-in-Schalter besaßen.
Der ›Kunde‹ trug
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