Airport-Klinik
seufzte: »Was tust du bloß in Teheran?«
»Das frag ich mich auch.« Evis Stimme kam kristallklar; beinahe so, als wäre sie nur einige hundert Meter entfernt und würde aus einer der Flughafen-Hallen telefonieren. Eine Satelliten-Verbindung, die Wunder der Technik! – Aber gerade sie rückten ihm sein Mädchen immer weiter weg.
»Heiß ist es hier«, sagte sie, »heiß und staubig.«
»Und die Frauen? Die laufen alle im Schleier rum?«
»Tun sie tatsächlich. Aber ich setze kaum einen Fuß vors Hotel.«
Er versuchte es sich vorzustellen. Für sie war es stets dasselbe, ob Teheran oder Dallas: Hotelzimmer, überall die gleichen Gespräche. Sie hatte sich so oft darüber beklagt. Traum-Job? – Von wegen!
»Ich habe Sehnsucht nach dir.« Ihm war der Satz einfach herausgerutscht, denn eigentlich wollte er derartige Dinge am Telefon nicht sagen.
»Fang nicht damit an, bitte …«
»Zieh dir auch 'nen Schleier über, Evi. Versprochen? Dann bin ich wenigstens die Zwangsvorstellung los, daß irgendwelche Mullahs nach dir grapschen, sobald du auftauchst.«
Sie lachte. »Daß du grapscht, reicht mir schon. Ich brauch keine Mullahs. Übrigens, Fritz, ich hab mir das überlegt: Ich werde mit der ›Einsatzplanung‹ reden. Ein bißchen Einfluß haben wir nämlich auf unseren Dienst. Ich werde vorschlagen, daß sie mich mehr auf den Mittelstrecken einsetzen. Dann wär ich jeden zweiten, dritten Tag in Frankfurt. Allerdings nur eine Nacht oder einen Tag, aber dafür zwei- oder dreimal in der Woche. Ich bin's langsam auch leid.«
»Himmelherrgott nochmal«, beklagte er sich, »warum gibst du nicht zu, was wirklich los ist? Wieso sagst du nicht: Fritz, ich halt's ohne dich so lange nicht aus? Was glaubst du, wie mir das runterginge!«
Da kam ihr Lachen; ihr kurzes, leises, etwas heiseres Lachen, das er so mochte. »Gut. Ich halt's einfach nicht aus, so lange von Ihnen getrennt zu sein, Herr Doktor!«
»Sie sind bereits auf dem Weg der Besserung, gnädige Frau.« Und dann fiel ihm noch etwas ein: »Die erste Mittelstrecke, die machen wir gemeinsam. Wir fliegen nach Griechenland. Ich bin gerade dabei, meinen Urlaub zu organisieren, und dann …«
Die Tür ging auf. Bärbel Rupert steckte ihr aufgeregtes Gesicht durch den Spalt: »Herr Doktor, die Aufnahme will sie. Es ist dringend.«
Hansen nickte ihr zu: »Ich komme gleich.« Dann drehte er sich dem Fenster zu, als wolle er nichts mehr sehen und habe mit all dem nichts zu tun. »Scheißladen! Aber ich krieg meinen Urlaub. Das schwör ich dir … Leider, Kleines, es geht wieder los.« Er warf einen Blick auf seinen Notizblock auf dem Schreibtisch. »Bleibst du im Hotel? Ich ruf dich nochmal an. Und dann erzähl ich dir das alles. Und du wirst mir sagen, daß es nichts Schöneres gibt, als mit mir über den Strand, einen griechischen Strand zu rennen.«
»Das kann ich schon jetzt: Es gibt nichts Schöneres, Fritz!«
Er legte auf. Schön, diese Stimme zu hören, dachte er. Was wäre, wenn du Evi nicht hättest … Aber Teheran? Lieber Mann! Wenn die Telefonrechnung fällig ist, wird es dir schlecht werden. Eine Evi Borges zu lieben – nichts ist einfacher als das! Aber wer zahlt die verdammten Telefonate?
Die Rollbahre stand im Vorbereitungsraum. Die Patientin, ein junges Mädchen: blasses Gesicht, offene Augen, leicht vergrößerte Pupillen. Offensichtlich ohne Bewußtsein oder im Schock.
Schwester Britte Happel war gerade dabei, ihren Kopf seitlich zu betten.
»Ein Schädel-Trauma«, sagte sie. »Sie ist gefallen.«
»Ja, im Bahnhof«, ergänzte eine Stimme. »Da kam der Zug, und sie wollte sich unter die Räder werfen. So ist das!«
Hansen drehte sich um. An der Wand saß ein Mann, welch sonderbare Erscheinung: Spitzes Alkoholiker-Gesicht, Schmuddelhaare, die Jackenärmel ausgefranst, einen Match-Sack neben dem Hocker. Und ein paar wieselflinke, intelligente blaue Augen hinter einer Brille.
»Waren Sie dabei?«
»Richtig. Ich heiße Sievers, wenn ich mich vorstellen darf.«
»Bleiben Sie ruhig sitzen, Herr Sievers. Und?«
Hansen war inzwischen an die Trage getreten, fühlte einen matten Puls und begann mit dem Tastbefund. »Reden Sie ruhig weiter.«
Aber das tat Sievers nicht. Die Türe hatte sich geöffnet, und im Rahmen stand groß und grauhaarig Brunner vom Schutzdienst.
»Du hier, Skipper? Ja, was soll denn das schon wieder?«
»Ich wart auf meine Medaille. Ich bin der Lebensretter.«
»Was?«
Und nun tauchte auch noch ein blonder Junge auf,
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