Airport-Klinik
ihr. Und ich Idiot, ich hab nicht daran gedacht …«
»An was nicht gedacht?«
»Na ja, als sie abfliegen wollte, hab ich so 'nen blöden Satz rausgelassen, sie soll uns nicht den Urlaub verderben, denn sonst wär's aus.«
»Ah so«, sagte Hansen und holte sich doch eine Zigarette. »Rauchst du auch?«
Thomas schüttelte den Kopf.
»Na, und jetzt?« sondierte er vorsichtig. »Wo sie hier in der Klinik ist, was machen wir? Jetzt fliegst du also allein?«
»Ich? Wie kommen Sie bloß dadrauf, Doktor? Ich denk nicht dran. Ich bleib bei ihr. Ich bin doch kein Schwein und laß meine Karin im Stich.«
»Ja, wenn das so ist, wüßte ich vielleicht einen Rat.«
»Wirklich?«
»Ja. Und ich versprech mir viel davon«, begann er. »Ich hab da nämlich einen Bekannten an der Odenwald-Schule …«
Hansen erklärte die Einzelheiten und bat Thomas, ihn am Abend zu besuchen, damit man alles durchsprechen könne. Er kritzelte seine Adresse auf einen Notizblock. »Und wenn du hier kein Hotel findest, kannst du heute nacht auch bei mir schlafen.«
»Ich habe eine Tante in Frankfurt. Bei der kann ich wohnen.«
»Na dann, um so besser …«
Hansen brachte ihn zur Tür, und als er ihn gehen sah, zögernd und bedrückt, dachte er: Ein Sohn, einen Jungen wie Thomas – vielleicht wäre es gar keine so üble Idee …
Als er später den Flur entlang ging, um in Zimmer 12 nach der Patientin zu schauen, rief eine Stimme: »Herr Doktor!«
Er drehte sich um. Da kam wieder dieser Mann vom Schutzdienst. Der Bereichsleiter – oder wie das bei denen hieß.
Der Name? – Ach ja, Brunner hieß er.
»Sie auch noch?« seufzte Hansen.
Der große Mann lächelte. »Ich weiß nicht, Herr Doktor, aber irgendwie habe ich langsam den Eindruck, Sie mögen uns nicht so recht.«
»Ein Eindruck, Herr Brunner«, grinste Hansen zurück, »nichts weiter.«
»Na, um so besser. Aber trotzdem: Hätten Sie fünf Minuten Zeit für mich?«
»Hab ich. Fünf Minuten! Am besten, wir gehen rüber ins Schreibzimmer.«
Dort plazierte er Brunner in der Besucherecke. Dann ließ er sich selbst nieder, schlug die Beine übereinander und betrachtete die Wölbung an Brunners Lederjacke. Eine Kanone schleppt er also auch rum? Muß er wohl …
»Also? Nochmal dasselbe? Wie vor drei Wochen?«
»Richtig. Wir kriegen schon langsam Routine darin. Der zweite Suizid-Fall in einem Monat.«
»Hoffentlich bleibt's dabei für den Rest des Jahres … Selbstmorde sind nicht gerade so mein Geschmack. Und was die Routine angeht: Von mir bekommen Sie dazu die gleiche Antwort. Ich bin gegen eine Einweisung. Und in diesem Fall ganz besonders.«
»Ich wollte ja nur mit Ihnen darüber reden.« Die Stimme Brunners wirkte besänftigend. »Es gehört nun mal zu meinen Aufgaben.«
»Und zu meinen gehört es anscheinend, Ihnen die Gesetzeslage mal klar zu machen, Herr Brunner.«
»Oho?«
»Ja – oho! Grundsätzlich, so bestimmt es der Gesetzgeber, soll immer zunächst versucht werden, das Einverständnis des Kranken zu erhalten. Daß dies im Augenblick nicht möglich ist, liegt auf der Hand. Der Zustand der Patientin läßt es noch nicht zu. Übrigens: Ob man das Mädchen überhaupt als ›krank‹ bezeichnen kann, weil es sich unter einen Zug schmeißen wollte, ist äußerst fraglich.«
Ein harter Brocken, dieser Doktor, dachte Brunner. »Ja nun – jetzt kann ich Ihnen auch mit dem Gesetz kommen: Die Unterbringung ist dann zulässig, wenn die Anzeichen eines seelischen Ausnahmezustandes gegeben sind und infolgedessen eine Selbstgefährdung naheliegt. Die Selbstgefährdung durch Suizid ist bei uns in Hessen nun mal als Einweisungsgrund anerkannt.«
»Ihr mit eurer Einweiserei! Aber gut, dann steht's halt eins zu eins, und wir sind pari.«
»Ich bin ja durchaus bereit, Ihren Argumenten zu folgen, Herr Doktor, wenn ich endlich klar wüßte, was los ist. Mein ganzer Kenntnisstand stammt von ›Skipper‹, einem Stadtstreicher.«
»Der Mann, der bei der Aufnahme dabei war?«
»Richtig. Der Mann, der das Mädchen gerettet hat. Das ist natürlich eine großartige Idee, nichts dagegen. Aber jetzt werde ich noch größere Schwierigkeiten haben, den ›Skipper‹ vom Airport runterzukriegen. Der will seinen Orden. Oder zumindest, daß ich ihn in Frieden lasse. Das sind so die Probleme, mit denen ich mich herumschlagen muß.«
»Na, wenn's keine schlimmeren sind«, grinste Hansen, »und dieser Kerl, Ihr ›Skipper‹, der machte außerdem noch einen ganz netten Eindruck auf
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