Akte Mosel
Die Schubladen und Türen der Schränke stehen offen, die Polstergarnitur ist aufgeschlitzt, die Gehäuse von Fernseher, Verstärker und allen anderen Geräten abmontiert. Die Bilder sind abgehängt und aus den Rahmen gerissen. Die Fußleisten liegen vor den Wänden. Wo die Steckdosen waren, klaffen dunkle Löcher. Doris rennt ins Schlafzimmer. Auch hier der gleiche Anblick, Schränke offen, Wäsche und Kleider auf dem Boden verstreut, Futter aus Jacken und Mänteln herausgetrennt, Matratze aufgeschlitzt, Pflanzen aus den Töpfen gerissen, die Blumenerde ausgeschüttet, alles demoliert. In der Küche sind alle Schränke offen. Auf dem Boden häuft sich der Inhalt von allen Packungen, Dosen und Gläsern, die die Eindringlinge in die Hände bekommen haben. Mehl, Zucker, Salz, Nudeln, Reis, Gewürze, Paniermehl, Gurken, Waschmittel, Müsli, Kaffee bilden eine glitschige Pampe, die Ursache des Gestanks, der hier kaum auszuhalten ist. Sie reißt beide Flügel der Balkontür auf und ruft die Katze. Sie beugt sich über das Geländer. Auch im Garten ist Minka nicht zu sehen.
Sie geht wieder hinein. Warum richtet jemand eine Wohnung, die nicht so aussieht, als könnte man irgendwo Diamanten finden, so schrecklich zu? Wer tut so was?
Wie benommen greift Doris zum Telefon. Es gibt keinen Laut von sich. Nachdem sie an der Korridortür gelauscht hat, ob jemand im Treppenhaus ist, verläßt sie die Wohnung. Sie dreht den Schlüssel zweimal um. Am Schloß sind keine Spuren von Gewalt zu sehen.
Vor dem Haus zuckt sie zusammen, als plötzlich neben ihr ein Preßlufthammer mit Getöse einsetzt. Sie schaut nach links und rechts und geht zur Telefonzelle an der Ecke zur Flanderstraße.
»Hallo Marie.«
»Hast du schon den TV gelesen?«
»Den habe ich schon in Luxemburg am Flughafen gekriegt. Aber das ist leider nicht alles.«
»Was ist passiert?«
»Bei mir ist eingebrochen worden.«
»Was?«
»Es ist alles durcheinander, totales Chaos. Die müssen nach irgendwas gesucht haben.«
»Was denn?«
»Nach dem Geld, nach was sonst?«
»Darum hat der Räumer dich also nicht verpfiffen … und wenn die Franzosen sich gerächt haben?«
»Die wissen doch nicht einmal, wie ich heiße.«
»Bei drei Wohnungen im Haus wird ein geprügelter Macho nicht viel Mühe haben, herauszufinden, wo eine große Blonde wohnt.«
»Wenn es Räumer ist, geht es nicht nur um das Geld, der ist bestimmt auch drauf gekommen, wem der Überfall in Wahrheit gegolten hat.« Doris kann die Tränen nicht mehr zurückhalten.
»Komm erst mal zu uns, dann sehen wir weiter.«
*
Das Gespräch findet im Zimmer des Museumsdirektors statt. Dr. Laros, ein kleiner, weißhaariger Mann streckt Jo seine von Nikotin und Sonne gebräunte Hand entgegen.
»Herr Dr. Ganz, darf ich vorstellen, Frau Rieben, Herr Faber, Herrn Dr. Zelig kennen Sie ja bereits.«
Jo setzt sich gegenüber den Vieren an den Tisch. Alle haben Papiere vor sich liegen und Stifte in der Hand. Das ganze wirkt wie ein Tribunal. Fehlt nur noch ein Recorder auf dem Tisch.
»Danke, daß Sie so schnell kommen konnten«, sagt Zelig. »Wie Sie sich wohl denken können, geht es um die Klärung der Umstände, die zur Auffindung der Aurei und des Gefäßes geführt haben. Dazu hätten wir noch ein paar Fragen an Sie. Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?«
»Dürfte ich erfahren, welche Funktion Sie haben?« Jo lehnt sich zurück und schaut auf die beiden, die er vorher noch nicht im Museum gesehen hat.
»Mein Name ist Gertrud Rieben, ich bin Referentin des Staatssekretärs im Kultusministerium«, sagt die Mittdreißigerin mit deutlicher Empörung in der Stimme.
»Und ich bin Kriminalhauptmeister Faber von der Kripo Trier«, stellt sich der junge Schnauzbart mit verlegenem Lächeln vor.
»Unter diesen Umständen bin ich zu keiner Aussage bereit.« Jo steht auf und schaut in vier verdutzte Gesichter.
Der Museumsdirektor erhebt sich ebenfalls: »Herr Ganz, so kommen wir doch nicht weiter.«
»Ganz sicher nicht, wenn Sie hier ein Verhör durchführen möchten«, antwortet Jo.
»Aber für ein Verhör gibt es doch überhaupt keinen Grund«, schaltet sich Zelig ein.
»Und warum sitzt dann die Polizei am Tisch?«
»Die ist ja auch nicht nötig. Bitte beruhigen Sie sich, Herr Ganz.«
»Herr Faber war bei allen Gesprächen dabei, die wir heute mit den anderen Findern der Aurei geführt haben.«
»Das ist deren Sache, ich habe Ihnen schon alles vor zwei Tagen berichtet, und dem gibt es nichts
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