Akte Mosel
Kopf.
»Die liegen inzwischen blank. Sag’ mir mal, wie ich heute den Einbruch melden soll? Womöglich habe ich dann mit einem von den Polizisten, die hier waren, zu tun. Ich wäre doch besser noch einen Tag in Luxemburg geblieben!«
»Mit so was habe ich nicht gerechnet. Wenn ich das geahnt hätte …«
»Du brauchst dich bei Doris nicht zu entschuldigen, das ist alles meine Schuld. Ich hätte den Eimer irgendwo vergraben sollen. Dann hätte es ein bißchen Aufregung wegen der Münzen am Kockelsberg gegeben und die Sache wäre erledigt gewesen«, mischt sich Jo ein, der ins Zimmer gekommen ist.
»Und der Schatz aus der Schwesternklinik?« fragt Marie.
»Ist möglich, daß der Zeug irgendwann von selbst drauf gekommen wäre, daß am Kockelsberg nur ein Teil der Münzen gelandet ist. Aber dann hätte er die Schnauze halten müssen. Dann wäre doch längst alles betoniert gewesen. Der hätte den Mund gehalten und die Faust in der Tasche gemacht. Das Museum kann sich überhaupt nicht erlauben, auf einen bloßen Verdacht hin ein paar hundert Kubikmeter Beton wieder wegzureißen. Abgesehen davon, was das kosten würde. Ein Vielfaches von dem, was jährlich zur Verfügung steht. Dann könnte er seinen Traum von der Freilegung des Tempelbezirks für die nächsten 20 Jahre begraben.«
»Und warum hast du den Eimer nicht behalten?« fragt Doris.
»Weil ich blöd bin, weil ich gedacht habe, das ist eine Sensation … und mir gehören sowieso zehn Prozent. Das ist immer noch wie ein Lottogewinn. Weil ich – das hört sich vielleicht sentimental an – die Stadt liebe. Das hätte sie nicht verdient, daß ich den Schatz unterschlage. Und die Arsche kommen noch nicht einmal auf die Idee, die Presse zu informieren. Die halten den Deckel drauf und hetzen mir die Polizei auf den Hals. Diese ganze Stadt wird doch seit über hundert Jahren von Leuten gelenkt, die keinen Tropfen Herzblut für uns übrig haben. Sind wir denn hier wirklich so blöd, daß wir keinen einzigen Bürgermeister und Beigeordneten stellen können, der aus Trier stammt, weder den Landrat noch den Bischof, nicht einmal der Chef des Museums oder der Zeitung oder des Theaters. Fremde Architekten machen unsere Plätze kaputt, und die wenigen Ämter, in denen mal ein Trierer das Sagen hat, werden geschlossen. Früher waren wir nur Aufmarschgebiet gegen Frankreich, in dem sich keine Investitionen lohnten, mir scheint, es hat sich bis heute nicht viel geändert.«
»Und jetzt schnappst du dir deinen antiken Vorderlader und streust deine Meinung in Form von feingehacktem Blei unter die Leute.« Doris stochert mit dem Grillbesteck in den verkohlten Blättern.
»Leider hat die nur einen Schuß.« Jo hängt den Vorderlader ab, der über dem Kamin hängt. »Das reicht nur für den Schlimmsten, und da kann ich mich im Moment nicht entscheiden. Deshalb werde ich jetzt erst einmal ein wenig rumtelefonieren.«
Jo rauscht ab.
»Ich glaube, ich beseitige mal mein Problem aus dem Handschuhfach, ich weiß noch nicht einmal, ob es eine scharfe Waffe ist.«
Marie läßt sich nach hinten auf den Teppich sinken und verschränkt die Arme unter dem Kopf: »Das ist jetzt eigentlich mein dritter Urlaubstag in der Medoc. Ich glaube, ich schaue ein wenig den Fischern an der Gironde zu und gehe dann zu Claude auf einen Pastis. Heute Abend wird wohl das ein oder andere Boulespiel fällig sein. Dann helfe ich Jo, eine letzte Flasche Grand Cru zu leeren …«
Doris fährt in Ehrang die Serpentinen zur Bausch hinauf. Früher wohnten hier amerikanische Soldaten von den Flugplätzen in Bitburg und Spangdahlem mit ihren Familien.
Jetzt ist aus dem Konversionsgelände ein Wohngebiet für Einheimische geworden. Hinter der ehemaligen Crossbahn parkt sie an der Wiese am Waldrand, auf der früher einmal jeden Sommer ein deutsch-amerikanisches Fest mit viel Bier, Eiscreme und Glenn-Miller-Sound gefeiert wurde.
Nach wenigen Schritten verläßt sie den Weg und legt in einem Tannenwäldchen ein zweites Depot an, in dem die Pistole, wie sie hofft, für immer verschwindet.
*
»Könnte ich bitte Ihr Mofa sehen?« Walde spricht laut, um nicht wieder mißverstanden zu werden. »Polizei Trier, mein Name ist Bock, ich ermittle in einer Unfallsache.«
Vor ihm steht Nr. 5 der Liste, wieder ein Eisenbahner im Ruhestand, kräftig, dunkles Haar: »Was für ein Unfall? Ich dachte, die Sache wäre längst ausgestanden.«
Walde steht da und sagt nichts.
»Das hat doch die Versicherung geregelt, und ich
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