Akte Mosel
Sofa da reinstecken?«
»Komm, zieh’ die Handschuhe an, dann machen wir uns ans Werk.« Marie geht ins Schlafzimmer und fischt aus einem Kleiderberg eine Lederjacke, deren Futter in Fetzen herunterhängt: »Hast du dafür eine Quittung?«
»Nein, die ist über zehn Jahre alt und gehört schon längst in die Kleidersammlung.«
»Was ist hiermit?« Marie hebt einen Mantel auf.
»Zwecklos, ich sammle keine Quittungen von Kleidern, und vieles habe ich selbst genäht.«
»Und was ist mit den Bildern und der Anlage?«
»Die Bilder sind alles Geschenke. Ich habe einen Ordner mit Gebrauchsanweisungen, da sind auch die Geräte-Garantien mit drin.«
»Gut, dann suche den mal. Bei den Bildern sind doch auch ganz tolle dabei. Geschenk hin, Geschenk her, auch Brillantkolliers werden hin und wieder verschenkt und behalten dennoch ihren Wert.«
Doris streift die Handschuhe über und bald wandern ein paar Kleidungsstücke, die Fetzen von zwei Bildern und ein Kassettenrecorder, der schon seit Monaten defekt ist, in die Kiste. Marie schafft sie mit Doris’ Auto zur Müllkippe nach Mertesdorf. Doris bleibt allein in zurück. Die verwüstete Wohnung empfindet sie als Aufgabe, die wohl irgendwie zu bewältigen ist. Zuletzt hat sie ein Hemd in die Kiste geworfen, das Leo gehörte. Es ist das letzte Stück aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit, das sie besaß. Nicht einmal Briefe gibt es. Sie waren nie soweit voneinander entfernt, daß sie sich schreiben mußten.
Damals, als Leo ging, hatte es ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Lange Zeit kam sie nicht mehr auf die Beine. Damals fing das mit den Anfällen an. Ein Arzt hatte ihr Beruhigungsmittel verschrieben. Danach hatte sie eine Verhaltenstherapie gemacht und sich wieder gefangen.
Minka streift um ihre Beine. Doris schraubt das Gehäuse auf den Verstärker. Einige Schrauben findet sie nicht. Ihre Hände werden kalt. Kündigt sich schon wieder ein Anfall an? An den Bose-Boxen baumeln die Hochtöner vor den Membranen. Sie schiebt sie in die Öffnungen zurück, steckt die Membranen darüber und stellt den CD-Player auf den Verstärker. Dann kramt sie im Ordner mit den Gebrauchsanweisungen. Es klingelt dreimal kurz. Marie ist zurück.
»Alles losgeworden?«
»Kein Problem. Und du bist schon beim Aufräumen?«
»Ich wollte Musik hören, aber ohne Steckdosen ist das ein Problem.«
»Da wäre Walde genau der richtige Mann!«
»Elektrik? Ich dachte, er ist bei der Kripo?«
»Er hat die komplette Elektrik in unserem Haus verlegt, und das ist das Einzige, was bisher bei uns einwandfrei funktioniert hat. Außerdem kennt er sich ziemlich gut mit Computern aus und kann Brillen reparieren.«
»Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut.«
»Walde ist ein Freak, der könnte genauso gut seit zehn Jahren mit der Kamera am Loch Ness sitzen und auf das Ungeheuer warten. Du kennst ihn doch. Ihr habt euch doch zuletzt an meinem Geburtstag gesehen.«
»Du schwärmst ja richtig …?«
»So falsch liegst du da nicht. Ich war sogar mal früher in ihn verliebt, aber das ist schon ein paar Jahre her.«
»Und …?«
»Er ist Jos bester Freund und mein Freund, und er ist hilfsbereit, außerdem, ich will es mal so sagen, hat er nichts gegen dich.«
»Was soll das denn heißen?«
»Na, ich habe den ein oder anderen Blick gesehen, den er dir zugeworfen hat.«
»Vielleicht ist das berufliches Interesse, manchen Leuten sieht man ja die Verschlagenheit an.«
»Da kann ich dich beruhigen, beruflich interessiert er sich nur für Mörder!«
»Vielleicht hat er ja hellseherische Fähigkeiten, meine momentanen Gedanken gehen genau in diese Richtung.« Doris sucht zwischen dem Gerumpel auf dem Boden nach Schrauben.
»Ich rufe ihn nachher an, laß’ Räumer bitte solange noch leben!«
*
Walde überspringt den nächsten Namen in seiner Liste. Sein Finger rutscht weiter nach unten. Es erscheinen ein Gastronom in Zemmer, ein Müllwerker in Waldrach, ein Lagerarbeiter in einem Baumarkt in Trier und ein Mann ohne Berufsangabe in Schweich. In Schweich trifft er niemanden an und fährt von dort über Föhren und Naurath. Vor Rothaus biegt er nach Zemmer ab. Die Kneipe liegt in einer Seitenstraße und hat geöffnet. Der Junge am Spielautomaten ist höchstens vierzehn. Am Tresen sitzt ein junger Mann in Bundeswehruniform. Walde nimmt zwei Hocker weiter Platz und bestellt eine Cola.
»Jetzt ist der Turm gerade wieder fertig geworden, und dann schlägt der Blitz ein«, der Bundeswehrsoldat schüttelt
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