Akte Mosel
schreit, er stopft ihr den Handschuh in den Mund …
Doris reißt die Augen auf, schnappt nach Luft und bekommt einen Hustenanfall. Das Wasser in der Badewanne ist kalt. Eine Zeitschrift treibt im Wasser. Doris klammert sich an den Rand und versucht, das Wasser aus den Bronchien zu husten. Sie steigt keuchend aus der Badewanne und kauert sich auf die kalten Fliesen. Sie erbricht eine Mischung aus Badewasser und Gallenflüssigkeit. Als sie wieder halbwegs zu sich kommt, legt sie den dicken Frotteebademantel um. Auf dem Balkon läßt der Hustenreiz nach. Die Gärten liegen ruhig da wie immer. Vögel zwitschern, von fern rauscht der Straßenverkehr. Der Traum ist noch nah. Sie geht auf und ab. Dann nimmt sie das Telefon, wählt Maries Nummer und legt gleich wieder auf. Sie zieht sich hastig an und geht ein wenig taumelnd mit noch nassem Haar aus dem Haus.
Elfie, die gute Seele der Anwaltskanzlei Hecht, telefoniert: »… nicht da. Sollte er noch kommen, richten Sie bitte Herrn Hecht aus, er soll sich dringend im Büro melden.« Sie legt den Hörer auf und begrüßt Doris.
»Hast du einen Unfall gehabt?«
»Nein, wieso?«
»Du siehst aus, als wärst du angefahren worden. Einen Termin hast du nicht?«
»Ich bin nur auf gut Glück hier«, antwortet Doris.
»Macht nichts, setz’ dich, ein Termin hätte dir auch nichts genutzt, der Chef ist seit gestern unterwegs. Es ist Vollmond, wenn du weißt, was ich meine. Ich telefoniere gerade seine Kneipenroute durch. Christa mußte ich zum Gericht schicken. Da haben wir heute Verhandlungstermin in einer größeren Strafsache.«
»Und Christa soll Hecht vertreten?« Doris setzt sich vorsichtig in einen Kunstledersessel.
»Sie versucht, dort einen anderen Anwalt aufzutreiben. Sie wird wohl hoffentlich einen finden, der sich das Honorar in die Tasche steckt. Ein paar Minuten bleiben ja noch, um die Akten zu überfliegen und vielleicht noch mal mit dem Mandanten zu sprechen.«
»Was bedeutet das für den Prozeß?«
»Mich würde nicht wundern, wenn es auf eine Gefängnisstrafe hinausläuft, obwohl Aussicht auf Bewährung besteht.«
»Nur weil Günther zum Werwolf wird?«
»Das ist der treffende Ausdruck. Eben war so ein Gelegenheitsstricher hier und wollte 50 Mark haben. Der Chef hat ihm heute Nacht angeblich versprochen, er könne sich die Kohle hier im Büro abholen.«
»Und, hast du bezahlt?«
»Wo denkst du hin? Ich wüßte noch nicht einmal, wie ich das Geld verbuchen sollte.«
»Vielleicht unter Spesen?«
»Warum siehst du so gerupft aus?« wechselt Elfie das Thema.
»Ich bin im Wald hingefallen.«
»Deine Joggerei bringt dich noch mal um.«
»Da hast du gar nicht so unrecht.«
»Einen Kaffee?«
»Danke, ich bin schon genug aufge …«
Die Tür wird aufgerissen und Hecht stürzt herein. Seine sonst so akkurat sitzende Frisur steht auf Sturm. Die Krawatte baumelt lose um den Hals und sein Markenzeichen, die dicke Hornbrille, fehlt. Er macht einen Schlenker und stoppt abrupt vor Doris: »Oh, guten Tag, Frau Morgen, so eine hübsche Klientin dürfen wir nicht warten lassen, kommen Sie gleich durch in mein …«
»Herr Hecht, es wartet schon jemand in Ihrem Büro«, unterbricht ihn Elfie.»Gut, dann bis gleich, Frau Morgen.«
»Elfie, bieten Sie der Dame doch bitte in der Zwischenzeit einen Cognac an.«
Als Hecht durch der Tür ist, winkt Doris ab: »Danke, meine Angelegenheit ist damit erledigt, ich glaube, seine Beratung bringt heute nicht viel.«
»Wir haben sowieso keinen Alkohol im Büro. Tut mir leid, Doris, ich würde auch am liebsten abhauen.«
»Ich rufe das nächste Mal vorher an oder schaue im Kalender nach, wann Vollm …«
Die Tür des Anwaltszimmer fliegt auf, Hecht taumelt herein und schluchzt: »Er stirbt, ich hab’ ihn umgebracht.«
Elfie springt auf und läuft ins Anwaltszimmer. Durch die offene Tür erblickt Doris einen Mann mit heftig blutender Kopfwunde, der sich über den Schreibtisch beugt.
»Mörder, Mörder!« röchelt er und kippt vollends auf die Tischplatte.
»Degenhardt hat angefangen, wollte partout nicht von meinem Stuhl aufstehen und hat mich auch noch gehauen.«
»Das hast du auch verdient«, kommt es röchelnd aus dem Nebenzimmer.
»Ruft doch einen Krankenwagen! Ihr seid alle Zeugen, das war Notwehr«, zetert Hecht.
»Die Bestie wollte mich erschlagen« stöhnt das Opfer.
Elfie hat einen Packen Kleenextücher abgerissen und preßt sie auf Degenhardts Wunde.
»Es scheint nur eine Platzwunde zu sein, muß
Weitere Kostenlose Bücher