Akte Mosel
wahrscheinlich genäht werden«, ist ihre Diagnose.
»Das kommt dich teuer, Günther!« wettert Degenhardt, der Elfie die Kompresse aus der Hand genommen hat und sie selbst an die Wunde preßt.
»Womit haben Sie denn zugeschlagen, Chef?«
»Mit dem Telefonhörer« antwortet Hecht. »Der sitzt da in meinem Sessel und telefoniert auf meine Kosten nach Österreich!«
»Und wer bezahlt mir meine Zeit, ich habe eine Stunde gewartet.« Degenhardt ist aufgestanden und geht auf Hecht zu, der zurückweicht.
»Eine Stunde hat er ins Ausland telefoniert, auf meine Kosten. Das setzen wir ihm auf’s Honorar.«
Doris schlüpft zur Tür hinaus. In der Fleischstraße kauft sie in einem Waffengeschäft ein Tränengasspray.
Wenig später bemerkt sie in der Brotstraße einen schick gekleideten Mann, der das gestern beobachtete Schuhgeschäft betritt. Graues Haar, in der Hand eine Aktentasche, wirkt neu, kein Hinken, kein Verband – keine sichtbaren Folgen vom Überfall. So schnell wie es ihre schmerzenden Beine zulassen, eilt sie zum Schaufenster. Der Mann ist nicht mehr im Verkaufsraum zu sehen. Er ist wohl in sein Büro gegangen. Doris’ finsterer Gemütszustand hellt sich ein wenig auf.
Im Weinladen in der Nähe ihrer Wohnung kauft sie ein paar Flaschen Bordeaux. Sie lädt den Einkauf hinter der Tür in der Diele ab. Es ist ruhig im Haus. Das Wohnungsschloß ist immer noch das alte. Irgendwas stimmt nicht. Ist hier noch jemand? Sie weicht ins Treppenhaus zurück. Unter ihr wohnen Studenten. Auf das Klingeln folgt keine Reaktion, Semesterferien.
Ganz unten öffnet die hilfsbereite Frau Keller: »Guten Tag, Frau Morgen, was ist passiert? Hatten Sie wieder … ich meine, so eine Attacke?«»Ich wollte mich bedanken, wegen letzter Woche.«
»Keine Ursache, das war doch selbstverständlich. Kommen Sie doch rein.«
»Danke, ich muß wieder zurück, ich erwarte Besuch. Eine Frage, haben Sie am Wochenende etwas Ungewöhnliches von oben gehört.«
»Nein, war etwas?«
»Bei mir ist eingebrochen worden.«
»Hier im Haus? Bei Ihnen, wann, ist was gestohlen worden?«
»Zwischen Freitagabend und Montagmorgen, ich war über’s Wochenende verreist.«
»Ich habe nichts gehört. Die Studenten sind auch nicht da. Das muß ich meinem Mann erzählen. Da kriege ich ja noch im Nachhinein einen Schreck. Die hätten ja auch zu uns kommen können. Waren Sie im Krankenhaus?«
»Nein, ich war verreist.«
»Aber Sie sehen so aus, als ob …«
»Ich bin gestürzt.«
»Schon wieder auf der Treppe, die müßte auch unbedingt mal in Ordnung gebracht werden!«
»Nein, ich bin beim Joggen gestürzt, es sind nur ein paar Schrammen.«
»Kann ich was für Sie tun?«
»Nein, aber Sie könnten einen Kaffee mit mir trinken, bei mir oben.«
Die Frau zögert: »Ich will Ihnen keine Umstände machen.«
»Ganz im Gegenteil, ich würde mich freuen.«
»Ich lege meinem Mann nur noch einen Zettel hin.«
»Entschuldigen Sie die Unordnung«, Doris spricht betont laut, als sie ihre Wohnung betreten. In der Küche läßt sie die Tür angelehnt, bietet der Besucherin einen Platz auf dem Balkon an und setzt Kaffee auf. Wenn noch jemand da ist, kann er jetzt unbemerkt verschwinden. Nach einer Weile macht sie die Küchentür weiter auf und lauscht in die Diele. Mit einem hölzernen Steakklopfer in der einen Hand und dem Tränengas in der anderen drückt sie nacheinander die Türen zu den übrigen Räumen auf. Im Schlafzimmer schaut sie zuerst unter das Bett. Sie öffnet den Kleiderschrank und schiebt die Kleider so weit auseinander, bis sie sicher ist, daß sich niemand dazwischen versteckt.
*
Walde läßt sich von Harry zu seiner Wohnung bringen. Dort zieht er sich um, packt das Werkzeug weg und stopft das eben getragene Hemd mit der Baseballkappe und ein paar alten T-Shirts in eine Plastiktüte.
Zurück im Auto fragt er Harry: »Hast du schon den Baumarkttypen …?«
»Der war auf einem Skatturnier in Langsur, hat sogar in der Mannschaftswertung irgendeinen Preis gemacht.«
»Schon wieder einer, ich hatte gestern auch einen, der das behauptet hat.«
»Ich habe schon mit dem Veranstalter in Langsur gesprochen, waren ein paar hundert Leute dabei, ich kann nachher die Turnierunterlagen bei ihm einsehen.«
»Ich komme mit«, sagt Walde.
Auf dem Weg nach Langsur wandert die Tüte in einen Kleidersammelbehälter der Caritas. Die Sonnenbrille, Anna hatte sie im Handschuhfach des Volvo vergessen, legt Walde auf dem Tisch einer Parkbucht hinter Igel
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