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Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen

Titel: Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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hervor. Es überraschte mich nicht, dass Linda ihn verließ.”
    Jinx blickte auf und sah zum Haus hinüber, als sie fortfuhr: „Es kam heraus, dass der behandelnde Arzt in Kalifornien wegen Alkoholismus seine Zulassung verloren hatte. Da begann David seinen persönlichen Kreuzzug. Er ruinierte den Mann. Doch der Drang, Ärzte für ihre Fehler zur Rechenschaft zu ziehen, beherrschte bald sein Leben. Er verließ das Büro des Staatsanwaltes und wurde Anwalt. Er verdiente viel Geld mit Kunstfehlerprozessen, aber irgendwie ruinierte er immer jenen einen Arzt, der Noah auf dem Gewissen hatte.”
    Deshalb hatten wir nie eine Chance, dachte Kate. Ich war immer der Feind, den es zu besiegen galt.
    Während Jinx allein zum Haus zurückging, blieb Kate unter dem Baum stehen und dachte darüber nach, was für eine gewaltige Kraft die Liebe zu einem Kind war. David hatte den Schmerz über Noahs Verlust all die Jahre hindurch konserviert. So wie Charlie den Verlust seiner Liebe fünf Jahre in der Nervenklinik betrauert hatte.
    Nervenklinik! Kate stutzte und dachte an das Rezept von Dr. Nemecheck, das sie gefunden hatten. Die Luft war so drückend, dass man das Gefühl hatte, eine tonnenschwere Last liege auf den Schultern. Zweifellos gab es bald ein Gewitter.
    Wenn sie sich beeilte, war sie in der Nervenklinik, bevor das Unwetter losbrach.
    Dr. Nemecheck war ein dünner, zerbrechlich wirkender Mann, der aussah, als hätte er in seinem zerknitterten Hemd und dem weißen Kittel geschlafen.
    Während er mit Kate über das Krankenhausgelände ging, sprach er immer wieder Patienten mit ein paar Worten Trost zu. Auf dem Rasen blieb er stehen und sah sich um. „Charlie Decker gehörte nicht hierher. Ich habe denen von Anfang an gesagt, dass er kein Irrer mit kriminellen Neigungen ist. Aber das Gericht hatte einen so genannten Gutachter vom Festland, und damit war die Sache erledigt. Charlie Decker war in sich gekehrt, sehr depressiv, und manchmal litt er vielleicht unter Wahnvorstellungen.”
    „Dann war er geistesgestört?”
    „Aber nicht in gefährlicher Weise”, widersprach Dr. Nemecheck nachdrücklich. „Seine geistigen Störungen waren mehr ein Schutzschild vor dem Schmerz. Seine Selbsttäuschungen hielten ihn am Leben. Deshalb habe ich nie versucht, sie ihm zu nehmen. Hätte ich das getan, hätte ich ihn umgebracht.”
    „Die Polizei meint, er war ein Mörder.”
    „Lächerlich. Er war ein sehr freundlicher Mensch, er konnte nicht einmal einen Grashüpfer zertreten.”
    „Vielleicht fiel es ihm leichter, Menschen umzubringen.” Dr. Nemecheck winkte ab. „Er hatte keinen Grund dazu.” „Und was ist mit Jenny Brook? War ihr Tod kein Grund?”
    „Charlies Wahnvorstellungen hatten nichts mit Jenny zu tun. Deren Tod hatte er als etwas Unabänderliches hingenommen. Charlies Wahn bestand darin, dass er glaubte, seine Tochter lebe noch. Einer der Ärzte hatte ihm gesagt, dass das Kind lebend geboren worden war. Jeden August hielt er eine kleine Geburtstagsfeier ab und sagte uns, wie alt seine Tochter jetzt sei. Er wollte sie finden und großziehen. Aber ich wusste, dass er sie nie ernsthaft suchen würde, weil er Angst vor der Wahrheit hatte: dass das Baby tot war.”
    Die ersten Regentropfen ließen beide aufblicken. Der Wind frischte auf, und die Krankenschwestern ringsum drängten die Patienten, ins Haus zu gehen.
    „Besteht eine Chance, dass das Kind noch lebt?” fragte Kate.
    „Ausgeschlossen.” Der Regen wurde heftiger. „Das Baby ist tot. Es existierte nur noch in Charlie Deckers Fantasie.”
    Während Kate durch den Regen zu Jinx Ransoms Haus zurückfuhr, dachte sie immer wieder an Dr. Nemechecks Worte: Das Baby ist tot. Wie die Kleine wohl ausgesehen hätte, wenn sie am Leben geblieben wäre? Ob sie die dunklen Haare des Vaters und die eindrucksvollen, lachenden Augen der Mutter gehabt hätte? Kate sah lebhaft Jenny Brooks Gesicht auf der Fotografie vor sich und wurde sehr nachdenklich. Dieses Gesicht war ihr irgendwie vertraut, vor allem diese lebhaften, lachenden Augen. Die Erkenntnis, an wen es sie erinnerte, traf sie wie ein Schlag. Vor Schreck trat sie auf die Bremse. So musste es sein! Jenny Brooks Kind lebte!
    Und er war fünf Jahre alt.
    „Wo zum Teufel steckt sie bloß?” David warf den Hörer auf die Gabel und blickte gereizt zu Phil Glickman hinüber, der sich mit Stäbchen gebratene Reisnudeln in den Mund schob. „Dr. Nemecheck sagt, dass Kate das Krankenhaus um fünf verlassen hat. Sie müsste

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