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Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen

Titel: Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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was zu tun war, und zog sich schnell wieder an.
    Der Verkehr schob sich Stoßstange an Stoßstange nach Waikiki hinein.
    Wie immer waren die Gehwege voll von einer bizarren Mischung aus Touristen, Soldaten auf Urlaub und Menschen von der Straße. Sie alle bewegten sich unter den unwirklichen Lichtern der abendlichen Stadt. Palmen warfen ihre dürren Schatten gegen die Gebäude. Ein ansonsten würdevoll aussehender Gentleman stellte in Bermudashorts seine weißen Beine zur Schau. Nach Waikiki kam man, um das Lächerliche, das Ungewöhnliche zu sehen. Doch heute Abend erschien Kate der Blick aus dem Fenster nur beängstigend: farblose Gesichter im Schein der Straßenlampen, angetrunkene Soldaten, die in den Eingängen der Nachtklubs herumlungerten, und an der Straßenkreuzung verkündete ein Evangelist mit glühendem Blick das Ende der Welt.
    Zehn Minuten später stieg Kate die Treppe zu Anns Apartmenthaus hoch. An der Tür kam ihr ein junges Paar entgegen, sodass sie ohne weiteres in die Halle gelangte.
    Es dauerte einen Moment, bis der Lift kam. Kate lehnte sich gegen die Wand, atmete tief durch und hoffte, die Stille des Gebäudes würde ihre Nerven beruhigen. Als sie schließlich den Fahrstuhl betrat, hatte ihr Herz tatsächlich aufgehört, wild zu pochen. Leise quietschend fuhr der Lift hinauf. Sonderbar entrückt beobachtete Kate, wie die Lichter 3, 4, 5 aufleuchteten.
    In der siebenten Etage öffneten sich die Türen wieder.
    Der Korridor war leer. Während Kate über einen dunkelgrünen Teppich auf die Nummer 710 am Ende des Flurs zuging, hatte sie das seltsame Gefühl, sich wie in einem Traum zu bewegen. Als sie direkt davor stand, bemerkte sie, dass die Tür nur angelehnt war. „Ann?” rief sie leise.
    Keine Antwort.
    Sie schob die Tür leicht auf und erschrak. Obwohl sie die gespenstische Szene sah, begriff sie sie nicht gleich: ein umgeworfener Stuhl, verstreute Zeitungen, rote Spritzer an der Wand. Ihr Blick folgte der roten Zickzackspur auf dem beigen Teppich, die unweigerlich zu ihrem Ursprung führte. Anns Körper lag, Gesicht nach unten, in einer riesigen Blutlache.
    Die elektronischen Piepser aus dem Telefonhörer, der an seiner Strippe vom Tisch herabhing, waren wie ein Alarmsignal für Kate, endlich aktiv zu werden. Doch sie war für Augenblicke wie gelähmt. Ihr wurde schwindelig, sie ging in die Hocke und stützte sich am Türrahmen ab. Auch jahrelanges, medizinisches Training konnte diese Reaktion nicht verhindern. Sie brauchte einige Minuten, um sich zu beruhigen.
    Doch das Hämmern ihres Herzens wurde von einem anderen unregelmäßigen Klang begleitet, einem Atmen, das nicht ihr eigenes war.
    Noch jemand befand sich im Raum.
    Eine Bewegung lenkte ihren Blick auf den Wohnzimmerspiegel. Dann entdeckte sie den Mann. Er hockte hinter einer Kommode, keine drei Schritte entfernt.
    Sie bemerkten einander im selben Moment. Und in den Bruchteilen einer Sekunde, in denen sie seine Augen sah, glaubte sie in diesen dunklen Höhlen etwas Böses zu entdecken, vor dem es kein Entrinnen gab.
    Er öffnete den Mund, als wollte er sprechen. Doch es kamen keine Worte heraus, sondern nur ein unheimliches Zischen, wie das einer Viper, die droht, bevor sie beißt.
    Kate sprang auf, drehte sich – wie ihr schien – albtraumhaft langsam um und floh. Der Korridor war schier endlos. Sie hörte ihren Schrei von den Wänden zurückhallen, und der Klang war so unwirklich wie die Eindrücke des vorbeifliegenden Flurs.
    Das Treppenhaus am Ende des Ganges war der einzig mögliche Fluchtweg, da sie keine Zeit hatte, auf den Lift zu warten.
    Eilig öffnete sie den Hebel der Tür, die nach außen aufschwang. Kate war bereits eine Treppe hinabgeeilt, als sie die Tür über sich wieder aufgehen und gegen die Wand prallen hörte. Dann ertönte erneut das Zischen, so schrecklich wie das Fauchen eines Dämons.
    Kate hastete zur sechsten Etage und versuchte die Flurtür aufzureißen. Sie war verschlossen. Schreiend trommelte sie mit den Fäusten dagegen. Vergeblich.
    Seine Schritte kamen gnadenlos hinter ihr die Treppe herunter. Kate konnte nicht warten, sie musste weiter. Sie rannte die nächste Treppenflucht hinab, sprang die letzten Stufen und landete hart. Ein heftiger Schmerz schoss durch ihren Knöchel. Mit Tränen in den Augen riss sie an der Tür und schlug dagegen. Auch sie war verschlossen.
    Er war schon bedrohlich nahe.
    Kate rannte noch eine Treppe hinunter und noch eine. Die Tasche flog ihr von der Schulter, doch sie

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