Akte X
schimmernden Einzelheiten. Pepes Herz klopfte ihm bis zum Hals, und ein Ausruf der Verblüffung entrang sich ihm. Unbewußt formten seine Lippen die Worte jener Sprache, die seine Mutter und sein Vater noch benutzt hatten: Auf der Plaza vor sich sah er die Dämonen der alten Geschichten, die er als kleiner Junge gehört hatte. Voller Blut und Kraft hatten sie sich aus den Mythen und Legenden erhoben. Sie lebten. Und sie kamen immer näher.
Die gefiederten Schlangen bewegten sich mit der Geschwindigkeit tanzender Blitze – sie waren größer als Krokodile, doch sie schienen über eine Kraft und Intelligenz zu verfügen, die der jedes anderen Raubtiers überlegen war. Sie erreichten ihn von drei Seiten, umzingelten ihn, ihrer Beute gewiß.
»Kukulkan!« schrie Pepe. »Kukulkan, beschütze mich!«
Die Schlangen gaben ein Zischen von sich – eiskaltes Wasser, das in loderndes Feuer spritzt. Sie bäumten sich auf und bleckten ihre langen Zähne, die scharf wie Opfermesser im Mondlicht blinkten.
Mit leuchtender Klarheit erkannte Pepe, was er tun mußte.
Erfüllt von einer Ehrfurcht, die selbst sein Entsetzen überstieg, schlitzte er sich den Arm auf, spürte den warmen Strom des Blutes, ohne auch nur den leisesten Schmerz zu empfinden. Zitternd streckte er den Arm aus und bot den Bestien sein Blut als Opfer dar... in der Hoffnung, die Diener des gütigen Kukulkan mit dieser Gabe zu besänftigen.
Doch statt zu beruhigen, trieb der Geruch der frischen, warmen Feuchtigkeit die Kreaturen zur Raserei. Die gefiederten Schlangen stürmten mit einem tosenden Rauschen – ein Wasserfall über knisterndem Laub – auf Pepe zu. Im Mondlicht sah er gefiederte Schuppen schimmern... weiße Zähne... lange Klauen an rudimentären Gliedmaßen.
Heute nacht, dachte Pepe, werden die alten Götter ihr Opfer bekommen. Die Machete glitt ihm aus der Hand. Und die Schlangen waren über ihm.
8
Cancuen, Mexiko
Donnerstag, 16.21 Uhr
Amüsiert beobachtete Scully, wie Mulder einen Seufzer der Erleichterung ausstieß, als die Schar der feiernden Senioren die Chartermaschine verließ und in Richtung Gepäckausgabe und Zollstation verschwand. Sie stellten sich an einer Reihe von Schaltern an, wo uniformierte Männer ihre Touristenvisa entgegennahmen und ihre Pässe abstempelten, bevor sie sie zu den Gepäckförderbändern entließen.
Der Mann am Schalter setzte einen Stempel in Mulders Paß, bevor er ihn zurückgab.
»Sollte ich je anfangen, in karierten Hosen herumzulaufen, müssen Sie mir versprechen, daß Sie mich davon abhalten, eine Butterfahrt zu buchen«, scherzte Rubicon grimmig. »Ich glaube, ich werde mich lieber nie zur Ruhe setzen.«
Dutzende von Mexikanern, die ihre Pauschalausflüge an den Mann bringen wollten, mischten sich unter die Touristen und drückten ihnen Broschüren in die Hand. Nachdem sie ihr Gepäck zurückerobert hatte, stürzte sich die Senioren-Reisegruppe auf die Busrampe vor dem Ausgang und kletterte an Bord ihres eigens gecharterten Luxusbusses – ein Haufen entflohener Hühner, der unter lautem Gackern in den Stall zurückkehrt. Junge Männer in ärmlicher Kleidung boten für ein paar Pesos ihre Hilfe beim Verladen des Gepäcks an.
Scully ging als erste durch die Paßkontrollen zur Gepäckabholung, wo sie und ihre Begleiter ihre Reisetaschen an sich nahmen, um ohne Zwischenfall die Zollschranke zu passieren. Dann machten sie sich auf die Suche nach dem Kleinbus, der sie zu ihrem Hotel bringen würde. Weder Scully noch Mulder sprachen Spanisch, doch fast alle Hinweisschilder und Läden ringsum waren auf die Touristen aus dem Land des begehrten Dollars eingestellt. Sobald einer von ihnen auch nur ein ratloses Gesicht machte, erschienen zwei oder drei freundlich lächelnde Mexikaner und boten ihre Hilfe an. Dennoch genoß es Rubicon sichtlich, seine Sprachkenntnisse einzusetzen, um sich nach dem Weg zu erkundigen und etwas Bargeld zu tauschen. Der alte Archäologe schien entzückt zu sein, sich bei der Expedition nützlich machen zu können.
Auf dem Weg zum Caribbean Shores Hotel teilten sie sich den Kleinbus mit einem frisch verheirateten Pärchen, das vollkommen mit sich beschäftigt war. Der Fahrer stellte im Radio bläserstarke Discomusik ein und summte selbstvergessen mit, während er mit den Fingerspitzen den Rhythmus auf das Lenkrad trommelte.
Mulder saß neben Scully und blätterte eine Handvoll farbenfroher Prospekte durch, die ihm die verschiedenen Reiseveranstalter aufgedrängt hatten. »Hören
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