Al Wheeler und die Verführerin
et cetera ein, und er bekam’s mit der Angst zu
tun. Zudem ging ihnen rasch das Geld aus, und als er das dem Mädel gegenüber
erwähnte, traf ihn ein weiterer Schock — bis sie einundzwanzig wird, ist sie
keinen Fünfer wert.«
»Dieses Motel scheint mir in
der Tat der passende Ort für die große Desillusionierung gewesen zu sein«,
sagte ich. »Was weiter?«
»Sie sagte ihm, er solle sich
keine Sorgen wegen des Geldes machen; wenn es wirklich hart auf hart ginge,
könne sie jederzeit eine Menge kriegen. Ais er sie fragte, woher, lachte sie
bloß und sagte, er solle sich keine Sorgen machen. Der betreffende Bursche
erstickte im Zaster und sie hätte ihn in der Mache. Danach wurde sie
verschlossen wie ‘ne Auster und sagte keinen Ton mehr über die Sache. Rickie
hatte die Idee, sie bildete sich das vielleicht alles nur ein, und so kam er zu
mir.«
»In der Hoffnung auf Hilfe vom
großen Bruder«, sagte ich. »Und statt mit Geld versorgten Sie ihn mit Rat, was
beträchtlich billiger kam, und erzählten ihm, er solle das Mädchen heiraten.«
»Ich hielt das für den besten
Ausweg.«
»Begaben Sie sich mit den
beiden nach Nevada?«
»Klar. Rickie brauchte
jemanden, der die Einzelheiten für ihn erledigte — er ist ein zu großer
Träumer, lebt in den Wolken, verstehen Sie — ein Musiker.«
»Ja«, sagte ich, »ich verstehe,
daß er einen Pianisten als Beistand brauchte.«
»Und das ist die ganze
Geschichte, Leutnant.«
»Sind Sie dessen sicher?«
»Ich habe Ihnen alles erzählt
und nichts ausgelassen«, sagte er kalt. »Wenn Sie wollen, kann ich noch ein
paar fantasievolle Details dazu erfinden.«
»Das glaube ich Ihnen
unbesehen«, sagte ich. »Was ich von dem Rest der Geschichte nicht im gleichen
Umfang behaupten kann.«
Ich stand auf und zündete eine
Zigarette an, bevor ich auf die Tür zuging. Ray Willis erhob sich langsam mit
gespanntem Gesicht.
»Was wird nun, Leutnant?«
fragte er rauh. »Werden Sie die Sitte anrufen?«
»Klar«, sagte ich. »Wie kommen
Sie darauf, daß ich es nicht tun würde?«
»Sie lausiger...«
»Mein Spezialausweis bringt
eine Menge Verpflichtungen mit sich«, sagte ich leichthin. »Wenn Sie sich jetzt
mausig machen, werden Sie zum letztenmal in der Double Zero Klavier
gespielt haben.«
Er schoß rasch hinter seinem
Schreibtisch vor, die Hände ausgestreckt, als wollte er mich erwürgen und wie
mechanisch wilde, obszöne Flüche ausstoßend.
Ich ließ ihn bis auf die
richtige Distanz herankommen und schlug ihm dann mit dem Handballen auf die
Nase. Er stolperte zurück und plumpste gegen den Schreibtisch.
»Sie sehen die Sache unter
einem ganz falschen Gesichtspunkt«, sagte ich vorwurfsvoll. »Jetzt sind Sie Ihre
Probleme los — wie der alte Denby.«
Er starrte mich einen
Augenblick mit haßerfüllten Augen an, dann fuhr seine rechte Hand unter die
Jacke und kam, eine Pistole haltend, wieder heraus. Ich wurde so nervös, daß
meine Reflexe sich überschlugen und ich ihn ansprang, bevor ich mir dessen
bewußt war. Ich vermute, ich hatte Glück — wenn ich gezögert hätte, um erst zu
überlegen, hätte ich es vermutlich nie geschafft. Meine Handkante schlug auf
sein Gelenk, und die Pistole glitt aus seinen Fingern auf den Teppich.
Ich packte ihn an den
Aufschlägen und zog ihn zu mir heran.
»Ray«, sagte ich mit
größtmöglicher Selbstbeherrschung, »versuchen Sie das ja nicht noch mal.«
Dann schlug ich ihm mit dem
Handrücken auf den Mund, so wie er es mit Joe Diment getan hatte, und ich
erzielte dabei genau dieselbe Reaktion. »Sie sind reichlich jähzornig, Ray«,
sagte ich zu ihm. »Beherrschen Sie sich, oder Sie werden anderen Leuten den
Schädel mit einem Hammer einschlagen, bevor Sie sich darüber noch im klaren
sind.«
Er öffnete langsam die Augen
und starrte mich an, während er seine geplatzte Unterlippe mit der Zunge
benetzte. »Sie kriege ich noch dran, Wheeler«, sagte er heiser, »und wenn es
meine letzte Tat sein sollte.«
»Sie sind krank, Ray.« Ich
imitierte den sanften Tonfall, in dem er sich über Mrs. Summers ergangen hatte.
»Da oben krank!« Ich tippte mit einem Finger seitlich auf die Stirn. »Sie tun
mir leid.«
6
Ich erreichte meine Wohnung
kurz nach elf und legte die Rückseite einer Peggy-Lee-Platte auf, bis Peggys
warme Stimme und ihr untrügliches Gefühl für Rhythmus meine Nerven besänftigte.
Ich goß mir einen Whisky ein und war gerade mit Eingießen fertig, als die
Türklingel plötzlich schrillte und
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