Al Wheeler und die Verführerin
ihn zu. »Sie glauben doch nicht, daß ich nach
Haus gehe, ohne Sie wenigstens mal spielen gehört zu haben.«
Er zwang sich zu einem Lächeln,
während seine Augen mich mit freundlicher Mordgier anstarrten.
»Das ist sehr nett, Leutnant«,
sagte er, »aber ich fürchte, es ist unmöglich. Es ist, wie ich schon sagte, ein
Schlüsselklub, und nur dreimal in der Woche dürfen Gäste mitgebracht werden.
Und ausgerechnet heute keine. Tut mir wirklich leid.«
»Nicht nötig«, ich klopfte ihm
aufmunternd auf die Schulter. »Zufälligerweise bin ich Besitzer eines der
exklusivsten Ausweise im ganzen Land — ich komme damit überall hinein.«
»Ja?« sagte er mißvergnügt.
»Wirklich!« Ich lächelte
heiter. »Mit Ihnen hineinzugehen, stellt gar kein Problem dar, Ray. Ich zeige
einfach meinen Ausweis — Sie werden sehen.«
Er war smart genug, aufzugeben
— für einen Augenblick wenigstens—, und fischte stumm seinen Schlüssel aus der
Tasche.
Gedämpftes Licht, dicke
Teppiche und leises Klaviergeklimper empfingen uns.
»Na, so ein Glück«, sagte ich,
»die haben heute abend schon für Ersatz gesorgt.«
Eine auffallende Blondine in
schwarzem Spitzenbüstenhalter und Strumpfhosen tauchte plötzlich vor uns auf.
Sie hatte die längsten Beine, die ich außerhalb meiner Träume je gesehen hatte,
und die erregendsten dazu.
»Guten Abend, Mister Willis —
darf ich Ihnen Ihren Hut abnehmen?« sagte sie mit heiserer Stimme.
»Ja«, sagte er mürrisch.
»Nehmen Sie meinen auch gleich
mit«, sagte ich.
Sie lächelte mich warm an.
»Willkommen im Double Zero Club, Sir. Freunde von Mr. Willis sind immer
willkommen! Ich werde auf Ihren Hut gut aufpassen.«
Durch den Vorhang zum Lokal
schob sich ein fleischiger Mann in einem prallsitzenden Smoking.
»He«, sagte er eifrig. »Wo hast
du den ganzen Abend gesteckt? Ich hab’ dir doch letzte Woche gesagt, diese
Rothaarige — diese Tina — ist ‘ne Pflanze. Du hättst sie heute abend sehen
sollen. Hat angefangen, den halben Laden auseinanderzunehmen. Stuhl nach Stuhl.
Und dem guten Denby hat sie noch ein Auge blau geschlagen, ehe wir sie greifen
konnten. War der vielleicht auf der Palme! Brüllte sich die Seele aus dem Leib,
das sei ein Saftladen hier, wo sich nicht mal der Besitzer blicken ließe, wenn
was los sei. Du redest besser mit ihm, Ray, er...«
»Halt den Mund!« fauchte Ray.
»Hab’ ich was Dummes gesagt?«
Der Fleischkoloß war verwirrt. »Hier ist der Teufel los, und du willst’s nich
mal wissen?«
»Warum soll sich denn der Pianist darüber aufregen?« fragte ich unschuldig.
Er starrte mich einen Augenblick
an. »Der Klavierspieler?!« Er krächzte plötzlich. Dann begann sein Fett, erst
lautlos, dann in kleinen Glucksern, konvulsivisch zu hüpfen. »Das is — das is
ja herrlich! So was, haha. Warum soll sich der Pianist darüber aufregen? Wie
wär’s, Ray, wenn du mich deinem Freund vorstellen würdest?«
»Leutnant Wheeler«, sagte
Willis langsam, mit jedem Wort einen Eisklumpen formend, »vom Büro des
Sheriffs.«
Das Lachen des Dicken brach
abrupt ab. Ich sah seinen Adamsapfel wie einen irregewordenen Fahrstuhl auf und
nieder hüpfen, bis ich es nicht mehr mit ansehen konnte.
»Haben Sie sich verschluckt?«
fragte ich freundlich.
»Entschuldigen Sie bitte—«,
sagte er hastig. »Mir fiel eben ein, daß ich noch was zu erledigen habe.« Er
fummelte, ohne aufzusehen, am Vorhang und verschwand.
Ich zündete mir gemütlich eine
Zigarette an und blickte auf Rays steinernes Gesicht.
»Komischer Pianist«, sagte ich
heiter.
»Ich hab’ eben einen Anteil am
Klub«, sagte er nervös. »Einen sehr kleinen Anteil.« Er hielt Daumen und
Zeigefinger zusammengelegt — die Hand ausgestreckt. »Ist das etwa ein
Verbrechen?«
»Wer war denn der fette Kerl
mit dem ausgeprägten Sinn für Humor?«
»Joe Diment, der Klubmanager.«
»Seinem Reden nach dachte ich,
Sie wären Alleinbesitzer, Ray.«
»Dieser Joe«, flüsterte er,
»diese verdammte Großschnauze!«
»Ich kann’s gar nicht erwarten,
Sie am Klavier zu sehen, Ray.«
Er zögerte, zuckte die
Schultern und sagte: »Vielleicht gehen wir besser in mein Büro?«
»Spielen Sie im Büro Klavier?«
»Okay, okay«, sagte er mit
zusammengepreßten Zähnen. »Klavier spielen ist bloß so’n Hobby. Der Klub gehört
mir.«
»Sehen Sie, Ray«, sagte ich
aufmunternd. »Jetzt waren Sie mal ehrlich, und es hat nicht mal ein klein
bißchen weh getan, oder? Aber das kann mir ja völlig egal sein.«
Er
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