Alanna - Das Lied der Loewin
Alan, was über Herzog Roger gesagt wird?«
Alanna zog mühsam ihre Stiefel an. Ihr Mund war plötzlich völlig ausgetrocknet. »Ja. Es ist wahr.«
»Alan und ich kommen sofort nach«, erklärte Jonathan den anderen. Sie begriffen den Wink, gingen hinter Timon her hinaus auf den Korridor und schlossen die Tür hinter sich. Alanna warf sich in Jonathans Arme und drückte ihn fest.
»Tut mir leid«, flüsterte sie und drängte die Tränen zurück. »Ich weiß, dass du ihn liebst, aber ich konnte ihn
nicht weitermachen lassen. Er war dabei, deine Mutter umzubringen.«
Jonathan zog sie eng an sich. »Dich liebe ich mehr.« Seine Stimme brach. »Lass nicht zu, dass er dich tötet.«
Alanna schüttelte den Kopf. »Hab ich nicht vor. Das kannst du mir glauben.«
Die beiden gingen zu den anderen auf dem Korridor. Keiner sprach, als sie sich auf den Weg zum Großen Thronsaal machten. Sie brachten ihre Anteilnahme nur dadurch zum Ausdruck, dass Jonathan und Georg Alanna rechts und links fest an der Schulter fassten und dass ihr Coram, Myles und Thom besorgte Blicke zuwarfen. Bei der ganzen Angelegenheit befanden sie sich jetzt an einem Punkt, wo es nichts mehr zu sagen gab.
Alanna selbst konnte nur daran denken, dass es in diesem eigenartigen Kampf zwischen ihr und dem Herzog von Conté nun endlich zu einer Entscheidung kam. Die Sache würde ein für alle Mal entschieden werden, und das war nichts, was sie bedauerte.
Im Großen Thronsaal stand Roger schon mit dem Schwert in der Hand vor den beiden Thronsesseln. Alanna umarmte ihre Freunde ein letztes Mal, bevor sie mit gezogenem Schwert kampfbereit neben Roger trat. Das Herz klopfte ihr bis hinauf in den Hals, als der Herold die Herausforderung verlas. Sie hörte ihn kaum; ihre Aufmerksamkeit galt dem König und der Königin, Jon, der jetzt neben seinen Vater getreten war, und Herzog Gareth, der an der Seite seiner Schwester, der Königin, stand. Alanna verspürte einen bitteren Triumph. Selbst wenn er mich umbringt, habe ich gewonnen, dachte sie. Ich habe Misstrauen gegen ihn gesät; man wird ihm nie wieder Vertrauen schenken.
Es war gut zu wissen, dass sie etwas erreicht hatte, selbst wenn Roger sie nun tötete. Und es war gut zu wissen, dass ihre Freunde da waren und auf ihren Sieg hofften.
»Beginnt den Kampf!«, sagte Roald ruhig.
Alanna und Roger hoben augenblicklich die Schwerter. Sie umkreisten sich und ließen sich nicht aus den Augen. Roger führte mehrere Scheinangriffe, um Alanna zu einem Angriff herauszufordern. Alanna musste einen Moment lächeln. Roger war älter als sie und hatte mehr Erfahrung, aber sie hatte mehr Geduld als er.
Sie hatte recht. Jetzt griff Roger richtig an, weil er der Meinung war, sie sei zu selbstsicher. Alanna parierte seinen Hieb und machte einen Satz zur Seite. Sie zuckte zusammen, als das Heft ihres Schwertes gegen ihre wunde Handfläche schlug. Sie musste vorsichtig sein, sonst würden sie ihre steifen Knochen und ihre verletzten Hände das Leben kosten.
In dem Versuch, sie zu ermüden, griff Roger unentwegt an. Um Kraft zu sparen, versuchte Alanna, öfter auszuweichen und seltener zu parieren, doch der Zauberer war schnell. Der Schmerz kroch ihr im rechten Arm empor und bis hinauf in die Schulter. Die Schrammen an ihrer Schwerthand bluteten wieder und hatten die Binden durchtränkt. Durch die Erschöpfung verlangsamte sich ihre Reaktionsfähigkeit.
Plötzlich blinzelte sie. Hatte Roger sein Schwert in die linke Hand gewechselt? Oder trug er zwei Schwerter? Unmöglich! Sie schüttelte den Kopf und mühte sich klar zu sehen. Undeutlich hörte sie, wie Thom »Das ist unfair! Er benutzt eine Illusion!« schrie, aber sie wusste, aus Furcht, ihr Leben zu gefährden, würde an diesem Punkt keiner eingreifen und den Kampf abbrechen.
Nur ein Satz zur Seite im rechten Augenblick rettete ihr das Leben, als der Herzog einen Ausfall machte. Thom hatte recht; Roger benutzte einen Illusionszauber, wodurch Alanna nicht sehen konnte, in welcher Hand er das wirkliche Schwert trug und in welcher das andere, dessen Existenz ihr nur vorgegaukelt wurde. Alanna zog mit ihrer freien Hand den Glutstein unter dem Hemd hervor und dankte der Göttin dafür. Das Schwert, das in Wirklichkeit gar nicht existierte, glühte jetzt orangefarben. Alanna parierte den Hieb des richtigen Schwerts und vollführte einen Gegenschlag, durch den es zu einer Bindung der beiden Schwerter kam. Das war ein Fehler: Der größere, stärkere Mann benutzte seine Kraft,
Weitere Kostenlose Bücher